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Bundesrepublik leistete operative Schützenhilfe

Im Wortlaut von Ulrich Maurer,

Nach Berichten über BND-Einsatz im Irak hofft die Linksfraktion auf Aufklärung durch Untersuchungsausschuß. Ein Gespräch mit Ulrich Maurer

Ulrich Maurer ist parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Die Linke

Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) sollen bei Kriegshandlungen der US-Streitkräfte vor drei Jahren im Irak mitgemischt haben. Was bleibt vom Bild der Friedensmacht Deutschland?

Gar nichts mehr. Sollten sich die Berichte bewahrheiten, dann hat der BND den US-Streitkräften direkte Unterstützung bei der Erfassung militärischer Ziele zukommen lassen. Das ist zweifelsfrei eine offensive Kriegshandlung.

Die BRD war damit also zum zweiten Male nach dem Jugoslawien-Krieg 1999 an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beteiligt?

Eindeutig. Sie hat nicht nur logistische - durch die Gewährung von Überflugrechten und den Schutz von US-Militäreinrichtungen auf deutschem Boden -, sondern auch operative Schützenhilfe geleistet.

Wie wird Ihre Fraktion auf die Enthüllungen reagieren?

Wir haben umgehend eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt. Wir verlangen, daß Außenminister Steinmeier, der als damaliger Kanzleramtschef davon Kenntnis haben mußte, in der ersten Parlamentsitzung des Jahres zu den Vorwürfen Stellung nimmt. Wir fordern bereits seit Wochen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit der Verwicklung von BND und Ex-Regierung in die Affäre um Foltergeständnisse im Ausland und CIA-Charterflüge über Deutschland. Das scheiterte bislang an der Verzögerungstaktik der Grünen-Fraktion. Ich glaube aber, daß sich die Grünen bei zunehmendem öffentlichen Druck dem Antrag nicht verschließen können.

Ausgerechnet die Grünen gefallen sich ja bereits in der Pose des großen Chefanklägers. Wie glaubhaft ist es, daß die einstige Regierungspartei mitsamt ihrem Oberhaupt hinters Licht geführt worden ist?

Da habe ich meine Zweifel. Die Grünen hatten schon keine Skrupel, Jugoslawien angreifen zu lassen, und auch den logistischen Beitrag der Bundeswehr im Irak-Krieg haben sie mitverantwortet. Ich halte es jedenfalls für erstaunlich, wenn ausgerechnet Exaußenminister Fischer sich »entsetzt« zeigt. Das hieße also, daß Exkanzler Schröder und das Kanzleramt diese Operation am Außenministerium vorbei gesteuert haben. Fischer wird vor dem Untersuchungssauschuß Gelegenheit haben, uns davon zu überzeugen.

Ganz oben auf der Liste der Mitwisser werden der damalige Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Ernst Uhrlau, und Ex-BND-Präsident August Hanning genannt.

Den Medienberichten zufolge wurde die Operation im Kanzleramt entschieden, dessen damaliger Chef Steinmeier heute Außenminister ist. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, dann haben alle Beteiligten objektiv gegen das Völkerrecht und die deutsche Verfassung verstoßen. Nicht umsonst sieht das Grundgesetz einen Parlamentsvorbehalt in allen Fragen von Krieg und Frieden vor. Wer sich solcher Verstöße schuldig gemacht hat, muß selbstverständlich sein Amt quittieren.

Wird es nun die allseits beschworene »rückhaltlose und lückenlose Aufklärung« geben?

Wenn es nach den mutmaßlichen Beteiligten geht, wohl eher nicht. Steinmeier hat umgehend angekündigt, daß er alles tun werde, um einen Untersuchungssauschuß zu verhindern.

Kann man Schröder nachträglich juristisch belangen? Immerhin hat der mit der Mär von der Friedensmacht Deutschland seine zweite Amtszeit gesichert.

Daß Schröder immer ein Meister darin war, das Gegenteil dessen zu machen, was er öffentlich gesagt hat, findet jetzt eine finale Bestätigung. Strafrechtliche Konsequenzen muß er deswegen aber nicht befürchten.

Wie steht jetzt Bundeskanzlerin Merkel beim Antrittsbesuch bei US-Präsident Bush da?

Frau Merkel, die immer eine Befürworterin des Irak-Krieges war, befindet sich in einer extrem mißlichen Lage. Die neuen Erkenntnisse im Verbund mit jenen über deutsche Zubringerdienste für US-Armee und -Geheimdienste während des Irak-Krieges und danach werfen nämlich eine grundsätzliche Frage auf, die künftig auch die Öffentlichkeit beschäftigen wird: Ist die BRD wirklich ein souveräner Staat? Augenscheinlich nicht. Es wäre an Frau Merkel, dies endlich auch in Washington zu thematisieren, anstatt neue Liebesdienste zu erweisen.

Interview: Ralf Wurzbacher

junge Welt, 13. Januar 2006