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Bundesregierung lügt seit Jahren über Ramstein-Rolle im US-Drohnenkrieg

Im Wortlaut von Niema Movassat,

 

Von Niema Movassat

„Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen“ – das ist seit mehr als zwei Jahren die Strategie der Bundesregierung zu den illegalen Tötungen durch US-Drohnen mit Unterstützung der US-Militärbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein. Die Öffentlichkeit und die Abgeordneten werden belogen. Schon vor zwei Jahren hatten die Süddeutschen Zeitung und die ARD-Sendung Panorama auf die Verwicklungen von Ramstein im US-Drohnenkrieg hingewiesen. Am 18.04.2015 griff auch Der Spiegel das Thema auf: Auf Grundlage bisher geheimer Dokumente berichtete er, dass die US-Armee alle tödlichen Drohnenangriffe über Ramstein abgewickelt und die Bundesregierung seit Jahren davon gewusst hat.

Diese Drohneneinsätze finden vor allem im Jemen, Pakistan, Afghanistan und Somalia statt. Die Piloten sitzen in den USA und steuern von da aus die unbemannten Flugzeuge. Das Signal wird aber nicht direkt übertragen, sondern über Ramstein. Anders wäre technisch eine Echtzeitverbindung zur Drohne nicht möglich. Ramstein ist somit der entscheidende Knotenpunkt für den US-Drohnenkrieg. Bisher sind schätzungsweise 6.000 Menschen durch diese Einsätze ohne Gerichtsverfahren hingerichtet wurden – darunter mehrheitlich Unschuldige.

Die Bundesregierung hat gegenüber Abgeordneten immer abgestritten, dass Ramstein in den US-Drohnenkrieg verwickelt sei. Damit hat sie das parlamentarische Fragerecht mit Füßen getreten – das belegen die Dokumente, die nun öffentlich geworden sind. So wusste die Bundesregierung 2011 schon, dass die USA eine Drohnen-Relaisstation in Ramstein installiert haben. Wozu soll die da sein, wenn nicht, um im US-Drohnenkrieg eingesetzt zu werden? Zudem wurde laut einem internen Vermerk ausdrücklich festgelegt, man wolle Fragen der Abgeordneten „aussitzen“.

Die Bundesregierung müsste es besser wissen: Schon vor einiger Zeit wies der ehemalige US-Drohnenpilot Bryant darauf hin, dass alle Daten über Ramstein fließen, dass er sich immer, wenn er seine Einsätze durchführen wollte, in Ramstein melden musste, um mit einer Drohne verbunden zu werden. Auch eine wichtige Analysezentrale für Drohneneinsätze hat in Ramstein ihren Sitz. Der Ex-NSA-Mitarbeiter Drake hat dies vor dem NSA-Untersuchungsausschuss bestätigt: Deutschland wird als Plattform genutzt, um den Drohnenkrieg der USA zu unterstützen.

Drohnenkrieg ist Völkerrechtswidrig

Der US-Drohnenkrieg ist völkerrechtswidrig, weil die Drohnen eben nicht nur in Kriegen eingesetzt werden, sondern auch in Ländern, mit denen die USA offiziell Frieden haben. Laut einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages ist es  „unstrittig", dass Deutschland völkerrechtswidrige Militäroperationen, die „durch ausländische Staaten von deutschem Territorium“ aus durchgeführt werden, nicht dulden darf. Sollte das US-Militär einen Terrorverdächtigen „außerhalb eines bewaffneten Konflikts“ völkerrechtswidrig per Drohne umbringen, könnte dies „eine Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt darstellen“, wenn die Bundesregierung davon weiß und nicht dagegen protestiert. Also: Wenn die Bundesregierung vom illegalen US-Drohnenkrieg weiß – und nach den jüngsten Enthüllungen belegen dies die geleakten Regierungsdokumente, die Der Spiegel abgedruckt hat – müsste sie dagegen vorgehen. Das tut sie aber nicht und missachtet damit das Grundgesetz, das nicht nur das Recht auf Leben schützt, sondern auch Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, verbietet. Dr. Björn Schiffbauer vom Institut für Völkerrecht an der Universität Köln stellt klar: „Es geht nun einmal um Mord“, und fordert wie andere Rechtsexperten, dass gegen die Mitarbeiter, die die Datenübertragung organisieren, geklagt werden muss.

Bundesregierung weicht Fragen aus

Auf der Basis dieser Berichte haben mehrere Abgeordnete der Linksfraktion und ich in zahlreichen Anfragen bei der Bundesregierung nach Hintergründen und Konsequenzen gefragt. Die Bundesregierung hat in ihren Antworten bislang jede „Steuerung“ der Drohnen von deutschem Boden aus abgestritten. Dabei wurde nie danach gefragt, ob von Deutschland aus gesteuert wird, sondern ob Daten über Ramstein fließen. Diese Frage ignorierte die Bundesregierung schlicht, zuletzt in der Fragestunde am 22.4.2015, in der Staatssekretär Dr. Brauksiepe die Vorwürfe ohne Substanz ausweichend dementierte. Zwar schickte die Regierung einen Fragebogen nach Washington, der wurde aber nicht beantwortet. Auf zahlreiche Nachfragen meinerseits, wann die Antwort denn nun käme, steigerte die Regierung den verbalen Grad des Erinnerns des US-Partners: Zunächst wurde „nur“ erinnert, dann  "fortgesetzt", "eindringlich", "mit Nachdruck" sowie "fortgesetzt eindringlich" an die Beantwortung des Fragebogens erinnert. Das Ganze könnte Satire sein, wenn es nicht darum ginge, dass hier Menschen durch US-Drohnen ermordet werden.

Blindes Vertrauen der Bundesregierung

Mittlerweile hat die Farce ein Ende: Die Bundesregierung sieht den Fragekatalog als „beantwortet“ an, weil die USA zugesichert haben, dass sie von deutschem Boden aus keine Drohneneinsätze organisieren. Die Bundesregierung glaubt einfach, was die USA sagen. Sie will keine Aufklärung, inwiefern US-Standorte in Deutschland am tödlichen Drohnenkrieg der US-Armee in Afrika und Asien beteiligt sind. Das ist nicht nur undemokratisch, sondern verletzt auch das Grundgesetz. DIE LINKE fordert die sofortige Einleitung eines Ermittlungsverfahrens der Bundesanwaltschaft zu den Verwicklungen von Ramstein in den Drohnenkrieg. Die Bundesregierung muss endlich die Fragen der Abgeordneten wahrheitsgemäß beantworten. Da die Beweise erdrückend sind, muss die Bundesregierung Ramstein bis zur endgültigen Klärung schließen.


linksfraktion.de, 24. April 2015