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Braune Ökologen

Im Wortlaut von Sabine Stüber,

Rechte unterwandern die Umweltbewegung. Linke Gegenstrategien sind nötig

Von Sabine Stüber, MdB der Fraktion DIE LINKE






Rechtsextreme treten kaum noch glatzköpfig und in Springerstiefeln auf. Sie sind unterdessen in verschiedensten Gruppierungen und Parteien gut organisiert und bauen sich, nicht ohne Erfolg, vor Ort ein »Kümmerer-Image« auf. Dabei nutzen sie modernste Kommunikationsmittel und verbreiten so in Kommentaren und mit Forderungen ihre Sichtweise auf gesellschaftlich relevante Themen, zu denen auch der Umwelt- und Naturschutz gehört. Neben Informationsbroschüren, Beiträgen in Printmedien, Flyern bis hin zu Angeboten für naturkundliche Wanderungen nutzen sie das Internet und soziale Netzwerke. Vom Artenschutz und Naturerlebnis über ökologischen Landbau, gesunde Ernährung bis hin zur Energiewende bietet der Umwelt- und Naturschutz ein weites Feld, auf dem sich jeder engagieren kann – auch Neonazis.

Nach Meinung des Leipziger Historikers Nils Franke hat die NPD das Thema Naturschutz aktiv aufgegriffen, und Rechtsextreme sind unterdessen in der Umwelt- und Naturschutzbewegung in ganz Deutschland anzutreffen. Die Vereine sind sich der damit verbundenen Unterwanderungsgefahr kaum bewußt. Es ist höchste Zeit, dieses Problem in die öffentliche Diskussion zu bringen. Naturschutzaktive aus Verbänden, Bildung, Wissenschaft und Verwaltung müssen für rechtsextreme Tendenzen sensibilisiert werden, die in dem bunten Mäntelchen der gesamten Themenpalette der Ökologie daherkommen können. Folglich sind Aufklärung und Auseinandersetzung mit der »modernen« rechtsextremen Ideologie dringend erforderlich.

Woran sind rechte Einflüsse in Vereinen zu erkennen und vor allem, wie können sich Vereine davor schützen? Solange es scheinbar nur um »reinen« Naturschutz geht, ist das Gedankengut dahinter kaum zu erkennen. Wenn das ganze aber mit Begriffen wie »Reinheit« unserer Arten, »Heimatschutz durch Naturschutz« oder gegen eine »Überfremdung« einhergeht, wird der Hintergrund klarer. Damit die Umwelt- und Naturschutzbewegung nicht instrumentalisiert werden kann, müssen – ebenso wie im Breitensport und im ländlichen Raum – Strategien gegen eine rechtsextreme Vereinnahmung in ihre politische Agenda aufgenommen werden.

Was macht Ökologie für die rechtsextreme Szene so interessant? Zum einen wird das Eintreten für die Natur von der Zivilgesellschaft mit Sympathie aufgenommen. Zum anderen unterscheiden sich umweltpolitische Positionen der Rechtsextremen für sich betrachtet oft kaum von denen der restlichen Umweltbewegung. Ein Blick auf die Homepage der NPD macht deutlich, was gemeint ist: Die NPD, aber auch andere Neonazigruppierungen, fordern einen besseren Artenschutz, sind gegen Agrogentechnik und für ökologischen Landbau, verlangen die konsequente Eindämmung des Flächenverbrauchs und einen präventiven ökologischen Hochwasserschutz. Das alles steht auch in Programmen von demokratischen Umweltverbänden und zum Teil in den Programmen anderer Parteien, und so ist, wenn solche Forderung für sich allein stehen, auf den ersten Blick häufig nicht erkennbar, daß sie in eine rassistische und demokratiefeindliche Ideologie eingebettet sind.

In der deutschen Geschichte war der Begriff Heimatschutz lange Zeit dem des Naturschutzes gleichgestellt. Das Reichsnaturschutzgesetz schrieb 1935 ein völkisch-rassistisches Ökologieverständnis fest. Und erst unglaubliche 18 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik wurde dieser nationalistische Ansatz 1977 im Bundesnaturschutzgesetz gestrichen. Allein diese Tatsache muß zu denken geben. Die NPD jedenfalls knüpft in ihrem Programm an die alte Denkweise an. Insbesondere bei den eher »unverfänglichen« Aussagen ist äußerste Skepsis angebracht: Wenn man die eigentliche Botschaft der rechten Naturschützer verstehen will, muß man sich immer wieder ihren ideologischen Hintergrund vor Augen führen.

Biologische Landwirtschaft, nachhaltige Produktionsweisen, Artenschutz, Antiatomkraft-Proteste und Demonstrationen gegen Gentechnik: All diese Themen interessieren eine immer breitere Öffentlichkeit. Kein Wunder also, daß die NPD und andere neofaschistische Gruppen versuchen, verstärkt in der Mitte der Gesellschaft Fuß zu fassen. Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, ist eine Auseinandersetzung mit rechtsextremer Ideologie und ihren Strategien sowie mit Maßnahmen gegen die Vereinnahmung des Natur- und Umweltschutzes erforderlich. Ein linker Ansatz geht sowieso über den Natur- und Artenschutz an sich hinaus. Es besteht eine Dialektik zwischen Kampf um soziale Veränderung und Schutz der Umwelt: Natur- und Artenschutz sind nur in einem sozialen Umfeld durchzusetzen, indem nicht jeder Baum, jedes Tier und der Boden nur nach seinem »Marktwert« als Ware betrachtet wird.

junge Welt, 17. April 2013