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Bologna gipfelt in Schavans Show

Kolumne von Nicole Gohlke,

Von Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Am 17. Mai lädt Bundesbildungsministerin Annette Schavan zum Bologna-Gipfel. Nach anhaltenden und kräftigen Protesten der Studierenden im Frühjahr und Herbst 2009 gegen die herrschenden Zustände an den Hochschulen konnte Schavan den Murks bei der Einführung von Bachelor und Master nicht länger schönreden. Mit Vertretern von Studierenden, Arbeitgebern, Gewerkschaften, Kultusministern und weiteren Experten will sie nun die Probleme bei der Umsetzung der Bologna-Reformen beheben.

Schavans Verständnis der Probleme unterscheidet sich jedoch grundlegend von dem der Studierenden, die massenweise gegen Verschulung und schlechte Studienbedingungen protestiert haben. Soziale Probleme wie die Studienfinanzierung sollen beim Bologna-Gipfel keine Rolle spielen, genauso wenig wie die Forderung der Studierenden nach einer umfassenden Demokratisierung der Hochschulen oder nach freiem Zugang zum Master-Studium. Stattdessen sollen Vertreter der Arbeitgeberkampagne „Bachelor Welcome“ Werbung für die neuen Bachelor-Studiengänge machen können. Unter den Unterstütztern dieser Kampagne finden sich unter anderem die Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank, von Nesquick, Signal Iduna und Vorstandsmitglieder von Microsoft Deutschland, Opel, REWE, Thyssen-Krupp und vielen weiteren großen Unternehmen.

Hier stellt sich die Frage, welches Interesse denn Unternehmen und Arbeitgeber an der Einführung der Bachelor-Studiengänge haben. Immerhin steht Bologna im Ruf, die Qualität des Studiums und die Qualifikation der Absolventen enorm gesenkt zu haben. Doch genau das wollen die Arbeitgeber. Es erscheint paradox. Der technische Fortschritt und die Optimierung der Produktion bringen ständig neue, teilweise sehr hohe Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskräfte hervor. Aber gleichzeitig sollen die Lohnkosten so gering wie möglich sein. Technischer und organisatorischer Fortschritt wird deshalb auch eingesetzt, um anspruchsvolle Tätigkeiten in anspruchslose Routinetätigkeiten zu zerstückeln. Ein Beispiel dafür sind große Teile des Online-Journalismus. Deshalb wollen die Unternehmen einseitig und oberflächlich qualifizierte Arbeitskräfte für ausführende Tätigkeiten, die in der Lage sind, sich schnell in Arbeitsabläufe zu integrieren und nicht viel kosten. Spitzenkräfte für Leitungs- und Entscheidungspositionen sollen in privilegierten Studiengängen und Einrichtungen ausgebildet werden.

Die Einführung des Bachelor dient diesen Zielen. Hier wird stark auf „Employability“ orientiert, also auf den Erwerb von Kompetenzen, die am Arbeitsmarkt nachgefragt sind. Der Erwerb von tiefer gehendem Wissen gehört ebenso wenig dazu wie die Fähigkeit zur kritischen Reflexion und das Verständnis von größeren Zusammenhängen. Der Zugang zum weiterführenden Master-Studium ist beschränkt, was bedeutet, dass sich die meisten Studierenden bereits nach drei Jahren Studium als Bachelor auf dem Arbeitsmarkt zurechtfinden müssen. Deren Lohnperspektiven sind natürlich nicht so hoch, wie das bei Diplom- oder Magisterabsolventen der Fall war. Selbst der neue Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD) sieht vor, dass Bachelor-Absolventen in niedrigere Tarifentgeltgruppen eingruppiert werden als Diplom, Magister oder Master.

Schavans Bologna-Gipfel wird live übertragen werden und die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz musste allen Hochschulen empfehlen, ihren Studierenden die Verfolgung der Übertragung zu ermöglichen. Hunderttausende Studierende könnten am 17. Mai in den Hörsälen dieser Republik eine Auseinandersetzung zwischen ihren Vertretern und den Verantwortlichen erleben.

Damit der Gipfel, den sich die Studierenden erkämpft haben, nicht zur Schavan-Show verkommt, lädt die Bundestagsfraktion der LINKEN am 2. Mai zur Bologna-Konferenz. Es geht darum, sich auf die Diskussionen in den Hörsälen vorzubereiten und darüber zu diskutieren, welches die drängendsten Probleme der Studierenden sind und an welchen Forderungen wir den Erfolg des Gipfels messen können.