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Blockupy: Polizeigewalt kann unsere Solidarität nicht unterdrücken

Im Wortlaut von Katja Kipping,

Von Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, die an den Blockupy-Protesten in Frankfurt teilnahm

 

 

Vom 29. Mai bis 1. Juni fanden in Frankfurt am Main die Blockupy-Proteste statt. Diese brachten in vielfältiger Weise ihre Kritik am Krisenregime, an der Bankenrettung und am Kapitalismus zum Ausdruck. Gegen die genehmigte, ja von einem Gericht bestätigte Demonstration ging die Polizei mit äußerster Brutalität vor. Sie kesselte einen Teil der Demonstration rein und räumte diese nach vielen Stunden auf brutale Weise.

Gegenüber einigen Medien erweckte die Polizei den Eindruck, sie habe den Demonstrierenden verschiedene Kompromisse angeboten, aber es hätte seitens der Demoleitung keinerlei Entgegenkommen gegeben. Aus eigenem Beobachtungen muss ich dem ausdrücklich widersprechen. Bereits einige Zeit nach der Einkesselung unterbreitete die Demoleitung verschiedene Angebote. Kurz vor der Räumung suchte ich nach Rücksprache mit der Demoleitung gemeinsam mit Willi an Ooyen (MdL) und Matthias W. Birkwald (MdB) das Gespräch mit dem Einsatzleiter. Ich unterbreitete ihm im Sinne der Deeskalation erneut den Kompromissvorschlag, dass alle von der Polizei beanstandeten Gegenstände freiwillig abgegeben werden. Dazu zählten übrigens auch Sonnenbrillen und Regenschirme, weil sie der Vermummung dienen könnten. Zudem gab es das Angebot an die Polizei, die Demonstration lediglich zurück zum Ausgangspunkt, dem Baseler Platz, zu führen und dort ordnungsgemäß zu beenden. Die Demonstrierenden wären also bereit gewesen, auf ihre vom Gericht bestätigte Route zu verzichten.

Die Erwiderung des Einsatzleiters lautete nur: Es gäbe keine Verhandlungen und keinen Kompromiss.

So redet ein Mann, der von oben die klare Order hat zu eskalieren. Und wer immer diese Oder erteilte, trat das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit mit Füßen. Wäre die Polizei kompromissbereit gewesen, wäre allen Beteiligten viel erspart geblieben – z.B. hunderten verletzten Demonstrierenden, unter ihnen schwer Verletzte. So berichtete die taz: Ein Demonstrant lag regungslos am Boden. Zwei Polizisten schleiften ihn hinter sich her, bis ein Journalist die Sanitäter rief. Kommentar des Polizisten: Der tut doch nur so.
Anlass für das aggressive Eindringen der Polizei in den Demonstrationszug sollen Farbbeutelwürfe und ein Feuerwerkskörper gewesen sein. Eine Sache möchte ich klar stellen: Wer in solch einer Situation Farbbeutel schmeißt, agiert idiotisch, unsolidarisch gegenüber den Mitdemonstrierenden oder er agiert eben wie ein bewusst eingeschleuster Provokateur.

Ob es sich hier um Provokateure gehandelt hat, werden wir wahrscheinlich nie definitiv erfahren. Aber offensichtlich hatte die Polizei von Anfang an die Einkesselung an genau dieser Stelle geplant. Dafür spricht, dass der Rest der Demoroute überhaupt gar nicht abgesichert war von Seiten der Polizei, sodass dort gar keine Demo hätte stattfinden können.

Die politisch Verantwortlichen im schwarzen hessischen Innenministerium haben sich nicht nur an der Demonstrationsfreiheit versündigt. Auch die Pressefreiheit wurde mit Füßen getreten. Mehrere Journalisten wurden aus nächster Nähe von der Polizei mit dem gefährlichen Pfefferspray angegriffen. Und letztlich haben sich die politisch Verantwortlichen im schwarzen Innenministerium auch gegenüber den Polizistinnen und Polizisten versündigt, von denen viele diese Eskalation nicht wollten und die zu einem besonders langen Dienst gezwungen waren.

Doch Blockupy 2013 – das ist nicht nur eine Geschichte der Polizeirepression, sondern auch der Solidarisierung. So solidarisierten sich z.B. spontan Anwohnende mit den Eingekesselten und versorgten sie von ihren Fenstern aus mit Wasser und Essen.

Die Polizei versuchte die Demo zu spalten, doch alle Beteiligten standen zusammen: Vom Fluglärmgegner zum feministischen caremob; von attac bis zur LINKEN; vom IGM-Mitglied bis zur IL – alle hielten zusammen.

Ja, am Samstag zeigte sich die Mosaiklinke - oder, um mit Michel Hardt und Toni Negri zu sprechen, die Multitude - in ihrer Breite und Vielfalt. Und die Freude über dieses breite Bündnis kann keine Polizeirepression der Welt zerstören – da hilft auch kein Pfefferspray!

Blockupy 2013 ist nicht nur eine Geschichte polizeilicher Repression. Die Proteste hatten auch inhaltlich viel zu sagen. So geht es bei Blockupy um eine deutliche Kritik am Krisenregime, am Kurs der Troika, ja am Kürzungsdiktat. Die EZB steht für diesen Kurs, und deswegen sollte die Demonstration auch an der EZB vorbeiziehen.

Troika, Merkel und Co. wollen uns einreden, die Griechen und Spanier hätten einfach mehr sparen müssen und schon hätte es keine Krise gegeben. Wobei von Sparen die Rede ist, aber Lohn- und Sozialkürzungen gemeint sind. Wir aber wissen, die Ursachen der Krise liegen woanders. Die Schulden der Länder explodierten erst im Zuge der Finanzkrise. Schuld sind also die Finanzspekulationen. Merkel und Co. wollen uns einreden, die Steuerzahlenden in Deutschland würden für die Schulden der Griechen, Spanier usw. aufkommen. Wir wissen, dass die Krankenschwester in Athen, die unter zunehmend schweren Bedingungen für ein zunehmend niedriges Gehalt arbeitet, von den Rettungspaketen nichts zu sehen bekommt.

Von den Rettungspaketen profitieren eben nicht die Millionen Menschen sondern vor allem Banken und Millionäre. Auch deswegen hat DIE LINKE – und das als einzige Fraktion – im Bundestag immer wieder geschlossen NEIN zu den Bankenrettungspaketen gesagt.

Bei den Protesten waren auch Gewerkschafterinnen aus Pakistan und Bangladesch dabei. Sie berichteten z.B. über die lebensbedrohlichen Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken. Die Menschen in diesen Fabriken zahlen den Preis für unsere preiswerten Klamotten. Dieser Preis ist zu hoch!

Blockupy stand ganz im Zeichen der Solidarität, der globalen und der europäischen. Auch deshalb stand eins fest: Bei aller Kritik an der gegenwärtigen Ausrichtung der EU geht es nicht um ein Zurück zum nationalstaatlichen Tellerrand. Europa geht anders – so heißt es in einem aktuellen Aufruf. Ja, Europa geht anders! Für ein Europa der Demokratie, des Friedens und der sozialen Rechte! Der Kurs von Troika, Merkel und Steinbrück führt nicht in ein solches Europa.

Aber die Vielfalt all jener, die zu Blockupy kamen, macht Mut, dass ein solches Europa, ein Europa der sozialen Gerechtigkeit, des Friedens und der gelebten Demokratie möglich wird.
 

linksfraktion.de, 6. Juni 2013