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Bildung geht nur mit Bund und Ländern

Interview der Woche von Rosemarie Hein,

Foto: flickr.com/arbyter_org

 

 

Rosemarie Hein, Sprecherin für allgemeine Bildungspolitik, erklärt, warum das so genannte Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik zu Lasten der Kinder geht, dringend aufgehoben werden muss und warum sich einige Länder an der Bildungshoheit klammern. Leider hat die SPD viele ihrer Bildungsforderungen aus dem Wahlkampf offensichtlich der Regierungsbeteiligung geopfert.



Weshalb darf der Bund deutsche Schulen in Indonesien finanzieren, nicht aber Geld für den Ausbau von Ganztagsschulen, Inklusion oder ganz allgemeine Bildung in Kempten, Gelsenkirchen oder Rostock ausgeben?

Rosemarie Hein: Deutsche Schulen im Ausland werden aus anderen Töpfen finanziert. Während Auslandsschulen zum großen Teil vom Auswärtigen Amt finanziert werden, liegt die Finanzierung von Schulen im Inland gar nicht beim Bund, sondern bei den Ländern und Kommunen. So ist es im Grundgesetz verankert. Doch Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, darum rief die Kanzlerin 2008 die Bildungsrepublik Deutschland aus. Bis zur Föderalismusreform im Jahre 2006 konnten der Bund und die Länder auch im Bildungsbereich begrenzt zusammenarbeiten. Damals bestanden vor allem die Länder darauf, allein für Bildung und damit auch für deren Finanzierung zuständig zu sein. So wurde das so genannte Kooperationsverbot festgeschrieben, welches die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Bildungsfragen verbietet.

Aber das ist doch absurd. Steht das Kooperationsverbot dann nicht konträr zur ausgerufenen Bildungsrepublik?

Ja, dieses Verbot ist absurd. Die Länder und Kommunen sind schon lange nicht mehr in der Lage, Bildung ausreichend zu finanzieren. Einer Studie zufolge gibt es allein bei Investitionen inzwischen einen Fehlbedarf von mehr als 45 Milliarden Euro. Der Bund kann aber nur über teils skurrile Umwege die Bildung mitfinanzieren. Der Haken an der Sache zeigt sich spätestens beim Auslaufen dieser Bundesprogramme. Sie sind nicht nachhaltig und so bangen die Länder, Kommunen oder Vereine und Verbände immer aufs Neue um die Fortführung von Projekten oder Personalstellen, wie beispielsweise bei der Schulsozialarbeit. Programme wie für den weiteren Ganztagsschulausbau sind derzeit nicht möglich. Einerseits wird mehr Vergleichbarkeit und Mobilität zwischen den einzelnen Bundesländern gefordert, andererseits möchte kein Bundesland von seiner Praxis abrücken, Bildungswege eigenständig festzulegen, zum Beispiel ab welcher Klasse der Eintritt in die Oberstufe beginnt. Auch die Anerkennung von Berufsabschlüssen in Länderzuständigkeit oder der Flickenteppich bei der Lehramtsausbildung sind immer noch ein Problem.

Kritisiert das nur DIE LINKE?

DIE LINKE steht längst nicht allein mit ihrer Kritik. Lehrende, Eltern, Verbände kritisieren das seit Jahren. Auch wirtschaftsnahe Stiftungen empfehlen die Aufhebung des Kooperationsverbots. In der letzten Legislatur reichten alle Oppositionsfraktionen, also SPD, Grüne und DIE LINKE Anträge zur Aufhebung des Kooperationsverbots für den gesamten Bildungsbereich im Bundestag ein. Die damalige Regierung von CDU/CSU und FDP legte nur einen Entwurf für die Lockerung des Kooperationsverbots im Hochschulbereich vor. Diese Gesetzesinitiative ist das Papier nicht wert, auf dem es steht. Sie behebt nicht einmal die Fehlstellen bei der Kooperation im Hochschulbereich, sondern stellt nur eine Ersatzlösung für die auslaufende Exzellenzinitiative der Bundesregierung dar, von der nur wenige Hochschulen überhaupt profitieren.

DIE LINKE hat einen Antrag eingebracht, der am Donnerstag debattiert wird. Der ist doch eigentlich recht nah an der Position der SPD, die sie noch im Wahlkampf hatte, oder?

Ja, das ist so. Allerdings wollen wir gemeinsame Finanzierungen im gesamten Bildungsbereich. Doch nach allem, was bisher zu lesen war, werden Wanka und Co. lediglich eine Zusammenarbeit für den Hochschulbereich, wie bereits im Gesetzentwurf der letzten Legislatur, anstreben. Die SPD hatte sich damals tapfer geweigert, eine solche Kurzvariante mitzutragen. Ich fürchte, die SPD wird nun in der Groko umfallen und ihren eigenen Kurs vollends verlassen. Die SPD konnte weder ihr Ganztagsschulprogramm oder mehr Schulsozialarbeit im Koalitionsvertrag festschreiben. Das alles hatten sie im Wahlkampf noch gefordert. Viele Bildungsforderungen hat die SPD offensichtlich der Regierungsbeteiligung geopfert. Auch die derzeitige Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Sylvia Löhrmann (Grüne), rudert sehr weit zurück mit ihrer einstigen Forderung nach der Aufhebung des Verbots für den gesamten Bildungsbereich. Bildungspolitik ist bei der SPD nicht mehr gut aufgehoben. Es braucht eine politische Kraft, die am Ball bleibt, wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht. Und das ist zur Zeit nur noch DIE LINKE.

Liegt es denn nur am Bundestag? Welche Rolle spielen die Länder? Haben die nicht auch Interesse daran, endlich von Finanzierungsproblemen erlöst zu werden, die durch die Föderalismusreform entstanden?

Da die Aufhebung des Kooperationsverbots nur über eine Änderung des Grundgesetzes möglich ist, muss auch der Bundesrat zustimmen. Dieser hatte bereits den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf abgelehnt. Einige Länder, wie Hamburg und Schleswig-Holstein, haben selbst  Anträge zur Aufhebung des Kooperationsverbots für den gesamten Bildungsbereich in den Bundesrat eingebracht. Andere Länder wiederum, etwa Bayern, wollen nichts von ihrer Bildungshoheit abgeben. Dabei geht es nicht nur um die Finanzierung von Bildung, sondern auch um die besonderen Wege innerhalb der Bildungssysteme der Länder. Immer mehr bürokratische Hürden werden aufgebaut. Dafür verzichten sie notfalls auf die finanziellen Vorteile.

Welche Chancen sehen Sie, dass der »Idiotenparagraph«, wie das Kooperationsverbot inzwischen auch genannt wird, noch in dieser Wahlperiode abgeschafft wird?

Wir stehen mit unserer Position und der damit verbundenen Kritik ja längst nicht allein. Vielmehr wächst der Widerstand in der Bevölkerung gegen diesen Unsinn des Kooperationsverbots. Der Druck auf die Regierungen in Bund und Ländern muss größer werden, damit bei ihnen ein Umdenken einsetzt.

linksfraktion.de, 31. März 2014