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Beschäftigungsrekord à la Gabriel ist kein Grund zum Jubeln

Im Wortlaut von Jutta Krellmann,

Foto: Christian Heyse

 

 

Von Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD) verbreitet in seinem Jahreswirtschaftsbericht 2014 die frohe Kunde, dass er in diesem Jahr einen neuen Beschäftigungsrekord erwartet. Der Jubel bei den Beschäftigten selbst dürfte sich aber deutlich in Grenzen halten. Denn über die Qualität der Erwerbstätigkeit sagen Rekordzahlen nichts. So zählen zu den Erwerbstätigen auch alle Selbständigen - Scheinselbständige und Millionen Minijobberinnen und -jobber eingeschlossen.

Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wächst zwar, aber Teilzeitarbeit nimmt nach wie vor deutlich stärker zu als Vollzeitarbeit. Leiharbeit verharrt weiter auf hohem Niveau und die Zahl der Werkvertragsnehmerinnen und -nehmer wird vorsichtshalber gar nicht erst erfasst. Fast ein Viertel der Beschäftigten muss sich mit einem Niedriglohn zufrieden geben. Und fast jeder zehnte sozialversicherungspflichtige Beschäftigte ist darauf angewiesen, sich mit einem Minijob etwas dazu zuverdienen. Es ist also höchste Zeit, die Fehler in der Arbeitsmarktpolitik zu korrigieren und grundlegende Reformen für sichere und gut bezahlte Arbeit einzuläuten.

Die SPD verweist aktuell gern - wie im Jahreswirtschaftsbericht - auf ihr Vorzeigeprojekt, den gesetzlichen Mindestlohns. Ja, endlich wird Deutschland das 22. Land in Europa mit Mindestlohn. Allerdings soll erst ab 2017 wirklich flächendeckend gelten. Mit 8,50 Euro ist er heute schon zu niedrig, um eine armutsfeste Rente zu ermöglichen. Dafür sind jetzt schon 10 Euro notwendig. Zudem soll er erst 2018 das erste Mal angepasst werden. Dann wird seine Kaufkraft jedoch weniger als 8 Euro wert sein. Damit wäre noch nicht einmal sichergestellt, dass alleinstehende Vollzeitbeschäftigte ohne ergänzende Hartz IV-Leistungen auskommen.

Trotzdem schießen nicht nur die Arbeitgeber aus allen Rohren. Der eigene Koalitionspartner wirft fast jede Woche neue Forderungen nach Ausnahmen in die Debatte. Die Union will verhindern, dass der Mindestlohn für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehemr gilt. Anfang dieser Woche stieg Kanzleramtschef Altmeier in den Ring, natürlich nur aus Sorge um die Arbeitsplätze. Würden all die Ausnahmen umgesetzt, wären ca. 2 Millionen Beschäftigte bzw. ein Drittel der Niedriglohnbeschäftigten vom Mindestlohn ausgeschlossen. Der Mindestlohn wäre damit so durchlöchert, dass er diesen Namen nicht mehr verdient.

Auch SPD-Chef Gabriel schlägt als Wirtschaftsminister eine ähnliche Tonlage wie sein Kollege Altmaier an. „Die Bundesregierung wird die Ausgestaltung des Mindestlohns so vornehmen, dass möglichst keine Arbeitsplätze verloren gehen“, heißt es im Jahreswirtschaftsbericht. Die angekündigte Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen bleibt kosmetischer Natur. Den Ratschlag Richtung Gewerkschaften, dass „Produktivität und Lohnhöhe korrespondieren sollten, damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erhalten bleibt“, will Gabriel nun doch nicht mehr als Aufforderung zur Lohnzurückhaltung verstanden wissen. Offensichtlich dämmerte ihm, dass solche Empfehlungen angesichts des enormen Nachholbedarfs der Beschäftigten nicht gut ankommen.

Immerhin müssten die Löhne im öffentlichen Dienst um zehn Prozent zunehmen, denn um so viel sind diese seit dem Jahr 2000 hinter den Produktivitäts- und Preissteigerungen zurückgeblieben. Gut, wenn Sigmar Gabriel doch noch verstanden hat, dass er sein Ziel, die Binnennachfrage zu stärken, ohne eine gute Lohnentwicklung nicht erreichen kann. Dafür notwendig sind neben Tariferhöhungen allerdings auch ein ausnahmslos geltender flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 10 Euro und die strikte Zurückdrängung prekärer Beschäftigungsformen wie Leiharbeit und Werkverträge. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die jetzt für Lohnerhöhungen kämpfen, sollten ihn beim Wort nehmen.

linksfraktion.de, 13. Februar 2014