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Bayerns Abschiebe-Maschine

Im Wortlaut von Eva Bulling-Schröter,

 

Von Eva Bulling-Schröter, Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE aus Ingolstadt

 

Als erstes Bundesland hat Bayern zwei Sonderlager für Flüchtlinge vom Balkan eingerichtet. Während sich der Freistaat als weltoffen, tolerant und christlich versteht, holzt die CSU-Staatsregierung offen gegen Fremde und Asylbewerber.

Es ist kein Treppenwitz bajuwarischer Lokalgeschichte, sondern bitterste Realität. Deutschlands erstes Sonderlager für Asylbewerber aus den Balkan-Staaten wurde zu Wochenbeginn fast im Vorgarten des passionierten Modelleisenbahn-Spielers und Ministerpräsidenten Horst Seehofer eröffnet. Seit Wochenbeginn wird die ehemalige Max-Immelmann-Kaserne in Manching bei Ingolstadt zum Abschiebebahnhof für 1500 Frauen, Männer und Kinder. Sogar ein privater Flughafen ist gleich um die Ecke. Ein zweites Lager für MazedonierInnen, BulgarInnen, AlbanerInnen, SerbInnen, KosovarInnen, Sinti und Roma wird am 15. September in Bamberg eröffnet – ebenfalls auf Militärgelände, einem ehemaligen US-Stützpunkt. Ein drittes könne, beruhigen die Behörden die besorgten BürgerInnen des Freistaates, je nach Bedarf und zu jeder Zeit folgen.

Unter Hochdruck werkeln Bayerns Technokraten derzeit am Bau einer regelrechten Abschiebe-Maschine. Mit Richterhammer und Stempelkissen vor Ort haben Verwaltung, Ausländerbehörde, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie Verwaltungsgericht der Einwanderung bedürftiger Menschen ins wohlhabende Deutschland den Kampf angesagt. CSU-Sozialministerin Emilia Müller, im Freistaat eigentlich für Integration zuständig, stellt die Weichen dabei nicht etwa auf Willkommenskultur. Ihre Durchsage an die Welt, so die gelernte Chemotechnikerin aus der Oberpfalz bei der Eröffnung des Lagers, ist die Botschaft, dass es "keinen Sinn macht, sich auf den Weg zu machen". Höchstens vier bis sechs Wochen, so der Amtsschimmel-Fahrplan, werde eine "konsequente Abschiebung der nicht hier Bleibeberechtigten" dauern.

Bis dahin heißt es auf dem abgelegenen Kasernengelände, im offiziellen Staatministeriums-Sprech als "gebündelte Ankunfts- und Rückführungseinrichtung" verbrämt, auf die Abfahrt zurück ins Elend zu warten. Bargeld soll es keines geben, es regiert das "Sachleistungsprinzip". Der Kontakt mit der Bevölkerung: nicht erwünscht. In einer Übereinkunft zwischen Staatsregierung und Ingolstadt heißt es dazu, und man nimmt kein Blatt vor den Mund: "Gemeinschaftsräume auch in der Max-Immelmann-Kaserne haben deshalb eine große Bedeutung, weil durch eine hohe Aufenthaltsqualität erreicht werden soll, dass die Asylbewerber ihre Freizeit auch innerhalb der Einrichtung verbringen werden." Nicht Integration, das übrigens vom lateinischen "geistig erneuern" kommt, und solidarische Offenheit für die Neuankömmlinge sind Triebfedern der "Bürgerstadt Ingolstadt", sondern Abwehr und Angst vor Veränderung.

Separation von Fremden und Verschlossenheit gegenüber Neuem bilden seit jeher das Leitmotiv des dümmlich-gefährlichen CSU-Chors, wenn vom "Sozialamt der Welt" (Finanzminister Markus Söder) und "massenhaften Asylmissbrauch" (Generalsekretär Andreas Scheuer) schwadroniert wird. Der jüngste Rückfall von Innenminister Joachim Herrmann in den rassistischen Sprachgebrauch der Kolonialzeit und dessen gönnerhafte Freundschaft mit dem "wunderbaren Neger" und CSU-Ehrenmitglied Roberto Blanco bestätigen die Erkenntnisse jüngster Studien zum "Rechtsradikalismus der Mitte". Über 42 Prozent der Deutschen erklären in Umfragen, sie würden sich "wie ein Fremder im eigenen Land" fühlen. Drei von vier Deutschen sind für eine harte Asylpolitik. Jeder zweite hat "Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten". Und stimmen den Aussagen zu, dass die zur Nazi-Zeit Verfolgten "zu Kriminalität neigen" und "aus den Innenstädten verbannt werden" sollen.

Diese rechtsextremen Einstellungen sind in Bayern tief verwurzelt. Der Flächenstaat liegt in Studien zu Fremdenfeindlichkeit und rechtem Gedankengut regelmäßig auf den traurigen Spitzenplätzen. Diese Entwicklung ist in hohem Maße demokratiefeindlich. Das Schimpfen auf Fremde sägt am Grundpfeiler einer pluralen Gesellschaft, wie sie in der Verfassung verankert ist: an der Gleichwertigkeit aller Menschen. Die Weichen in der Staatskanzlei weiter dennoch unverändert auf "Mia san mia" gestellt, einst Schlachtruf der vor nationalem Überlegenheitsgefühl strotzenden Truppen des reaktionären Großösterreichs unter Kaiser Franz Josef. Unbeirrt steuern die CSU-Oberen den Zug populistischer Panikmache, nächster Halt: Alle draußen bleiben! "Bevor wir an Leistungskürzungen für die Bevölkerung gehen, die hier lebt, ist es unsere Pflicht, diesen massenhaften Missbrauch des guten Asylrechts, das im Grundgesetz geschützt ist, einzudämmen und abzustellen", löst Seehofer, der als Kind eines Busfahrers selbst aus ärmsten Verhältnissen stammt, die am Stammtisch so beliebte Abstiegsangst-Karte ein. Sein Rezept gegen Menschen in Not: "Der ganze Apparat muss zulegen. Raus aus der Traumfabrik, rein in die Realität".

Solche Signale zu mehr Handfestigkeit kommen an. Mitte Juli packen Unbekannte an, legen Feuer, eine Flüchtlingsunterkunft in Winden bei Reicherthofen, nur wenige Kilometer südlich von Ingolstadt, geht in Flammen auf. "Wir brauchen keine 131 Asylanten!", war vor der Selbstjustiz gegen die Unterkunft mobil gemacht worden. Mit Flugblättern dabei: die NPD. Die Verwaltung vor Ort legte sofort ihr ganzes Rechtsbewusstsein in die Waagschale. Nach einer spontanen Mahnwache von Linken aus Ingolstadt wurde wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht ermittelt. Mitte April war bereits in Hepberg ein Brandanschlag auf einen Wohncontainer für Flüchtlinge verübt worden.

Nein, natürlich sind nicht alle BayerInnen fremdenfeindlich. Die jüngste Welle spontaner Solidarität am Münchener Hauptbahnhof, wo Freiwillige über Facebook zu Spenden für Ankömmlinge in Flüchtlingszügen aus Ungarn aufriefen, macht Mut. Viele Städte veranstalten Willkommensfeste für Neuankömmlinge. In Ingolstadt hat das breite Bündnis "Ingolstadt bleibt bunt!" zuletzt erfolgreich auf die Straße gerufen und ein NPD-Fest verhindert. Doch solange die CSU-Regierung mit rechtlich hoch umstrittenen Auslegungen von Bundes- und Landesrecht Flüchtlingen mit Ausbildungs- und Arbeitsverboten, Lagerpflicht statt Sozialwohnungen wie in anderen Bundesländern üblich und dem Streichen von Geldleistungen das Leben schwer macht, ist institutionell der Weg vorgezeichnet. Die heute bekannt gewordenen Überlegungen der Union, das Recht auf Asyl im Grundgesetz weiter zu beschneiden, sind keine guten Zeichen. Bayern darf nicht zum Land der Abschiebelager werden. Das ist weder christlich, noch sozial!

linksfraktion.de, 2. September 2015