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Bedient: Studentin mit Buch auf dem Kopf und viel zu wenig BAföG

BAföG verfassungswidrig niedrig

Nachricht von Niema Movassat, Nicole Gohlke,

250 Euro im Monat – so viel soll nach dem BAföG (Bundesausbildungsförderungsgesetz) genügen, um eine Unterkunft zu finanzieren. Die Miete für ein WG-Zimmer (schon gar nicht zu sprechen von einer Wohnung) in München kostet derzeit im Schnitt 570 EUR, eine Pauschale in Höhe von 250 EUR genügt also vorne und hinten nicht.

Der Bundesregierung scheint dies durchaus bewusst zu sein. Auf eine Kleine Anfrage (PDF) der Abgeordneten Niema Movassat und Nicole Gohlke zur Höhe des BAföG-Höchstsatzes hin rechtfertigt sie diesen Zustand mit einem erstaunlichen Zynismus. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass "mögliche finanzielle Beschränkungen bei der Lebensführung (…) für Studierende angesichts der durch den Studienabschluss erheblich verbesserten beruflichen Chancen und Einkommensperspektiven hinnehmbar" seien. BAföG-BezieherInnen erhalten weniger als Hartz IV-EmpfängerInnen. Der pauschalierte Höchstsatz liegt nach dem BAföG bei 735 EUR. Anders als nach dem SGB II-System, wird dabei nicht die Höhe der tatsächlichen Unterkunftskosten übernommen, sondern es bleibt bei einer Pauschale. Dabei stellt der Hartz IV-Satz das sogenannte grundgesetzliche "Existenzminimum" dar. Dessen Höhe wurde vom Bundesverfassungsgericht bei der Entscheidung vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12) für "noch verfassungsgemäß" gehalten. Gleichzeitig war der Gesetzgeber damals schon angehalten worden, Bedarfe für Kinder zu erhöhen und langlebige Lebensgüter bei der Berechnung zu berücksichtigen. Die Bundesregierung rechtfertigt die Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums in absurder Weise damit, dass es den Studierenden in der Zukunft ja besser gehen würde. Abgesehen davon, dass diese Pauschalisierung so nicht zutrifft – man denke an prekär beschäftigte AkademikerInnen – relativiert die Auffassung der Bundesregierung die Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG.

Niema Movassat, Rechtspolitiker der Fraktion DIE LINKE stellt dazu fest:

"Im Prinzip sagt die Bundesregierung, dass Studierende ruhig hungern können, weil es ihnen ja später einmal bessergehen würde. Das ist eine verwerfliche Haltung. Außerdem scheint die Bundesregierung die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Existenzminium und Menschenwürde nicht zu kennen oder kennen zu wollen. Denn in ihrem Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz (Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10) stellten die obersten Richter klar, dass die Menschenwürde niemals relativierbar sei. Das Existenzminium gilt für alle Menschen gleich. Überträgt man dies auf die Höhe des BAföG-Satzes, so muss dieser auf das Niveau des Arbeitslosengeldes 2 erhöht werden. Die jetzige Haltung der geschäftsführenden Bundesregierung, alles sei gut, ist mit dem Grundgesetz schlicht unvereinbar. Der jetzige, niedrige BAföG-Satz verletzt die in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Menschenwürde. Die nächste Bundesregierung muss unverzüglich diesen Missstand beheben und den BAföG-Satz auf eine existenzsichernde Höhe anheben.“

Nicole Gohlke, Hochschulpolitikerinder Fraktion DIE LINKE ergänzt:

"Die Lebenshaltungskosten sind weit höher, als die Bundesregierung behauptet: Nur zwölf Prozent aller Studierenden können in studentischen Wohnheimen unterkommen, und auch deren Mieten liegen meist deutlich über der Wohnpauschale, die das BAföG vorsieht. WG-Zimmer kosten im Bundesdurchschnitt 350 Euro im Monat, vielerorts deutlich mehr, wie das Moses Mendelssohn Institut kürzlich erhoben hat. Dass der BAföG-Satz zu niedrig ist, um den Lebensunterhalt zu decken, zeigt schon die kontinuierlich sinkende Zahl von Studierenden aus einkommensschwachen Familien. Er muss so gestaltet werden, dass er den Bedarfen der Studierenden tatsächlich gerecht wird. Anders lässt sich das verfassungsmäßige Recht auf die freie Wahl von Beruf und Ausbildungsstätte unabhängig von der sozialen Herkunft nicht durchsetzen. Artikel 12 des Grundgesetzes gebietet eine deutliche Erhöhung der BAföG-Sätze."