Zum Hauptinhalt springen

Auszugsverbot für junge Erwerbslose muss kippen

Im Wortlaut von Yvonne Ploetz,

Soziale Ungleichheit bekämpfen statt Obdachlosigkeit forcieren

 

„Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden ihne Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat.“

Mit diesem Schachtelsatz beginnt der Absatz 2a des Paragraphen 22 im  SGB II. „Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann.“ Das ist Beamtendeutsch für: Wer unter 25 ist und arbeitslos, für den gilt ein faktisches Auszugsverbot bei den Eltern und für den müssen die Eltern auch Unterhalt zahlen.

Die Auswirkungen dieser Regelung stehen in keinem Gesetzbuch: Familiendynamische Konflikte verschärfen sich, dadurch kommt es zu einer wachsenden Zahl an Schul- und Ausbildungsabbrüche und immer mehr jungen Erwerbslose geraten in die Wohnungs- oder Obdachlosigkeit. Statt den Jugendlichen mehr Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Leben zu geben und damit ihren Weg in die Eigenständigkeit zu fördern, werden sie durch diese Bestimmung im elterlichen Haushalt „verhaftet“. Auf dem Weg ins Erwachsenensein zu leistende Entwicklungsaufgaben werden also per Gesetz enorm erschwert. Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE ist dies ein nicht hinnehmbarer massiver Eingriff in das Leben von Jugendlichen.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist da anderer Meinung.Die Vorschrift des § 22 Abs. 2a SGB II sei nicht hemmend, sondern geradezu hilfreich für die Entwicklung junger Menschen. Wer einen Vertrag über eine eigene Unterkunft abschließen wolle, der müsse eben dafür sorgen, dass er oder sie die Wohnung aus eigenem Einkommen finanzieren könne. Zu Tage tritt in der Argumentation der Bundesregierung das für das SGB II konstitutive Element des „Förderns und Forderns“ – wobei eine gewisse Schieflage in der Anwendung der Grundsätze nicht zu übersehen ist.

Eine dem Sozialstaatsprinzip verbundene finanzielle Unterstützung von Jugendlichen unter 25 Jahren und die damit einhergehende Herstellung von gleichen Lebenschancen werden in diesem Zusammenhang schlicht verwehrt. Die besonderen entwicklungspsychologische Aspekte dieser prägenden Lebensphase, die Befürchtung, dass das Auszugsverbot familiäre Konflikte zwischen Eltern und Jugendlichen auf administrativem Wege intensiviert, weil es einen Auszug erschwert, das alles kümmert die Bundesregierung wenig. Die Altersgruppe der Jugendlichen wird von Schwarz-Gelb vor allem als potentiellen Kostenfaktor wahrgenommen. Letztlich dient der Paragraph dem Zweck, „einem auf Grund der damit einhergehenden verschärften Einkommensanrechnung innerhalb der neu gebildeten Bedarfsgemeinschaft zu erwartenden Ausweichverhalten entgegenzuwirken“.

Die gravierendste Auswirkung des Auszugsverbots-Paragraphen sieht DIE LINKE in der Forcierung der Wohnungslosigkeit bei sozial benachteiligten Jugendlichen. Die Ursachen, warum ein Mensch bereits in jungen Jahren obdachlos wird, liegen primär in familiären Problemen. Gewöhnlich sind die der allumfassenden Sicherheit dienenden familiären Strukturen nur noch bruchstückhaft vorhanden – mit der Folge, dass dem „Leben auf der Straße“ der Vorzug vor alltäglicher Gleichgültigkeit, Missbrauch oder Gewalt gegeben wird. Die in den letzten Jahren zu beobachtende Entwicklung, dass immer mehr junge Menschen in der Bundesrepublik Deutschland obdachlos sind, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung entscheidend mit zu verantworten, da sie den Genehmigungsvorbehalt für Wohnungsauszüge 2006 eingeführt hat. Wie schon die BAG Wohnungslosenhilfe festgestellt hat, wird § 22 Abs. 2a SGB II als Sanktionsinstrument genutzt, um junge Erwachsene in Arbeit zu bringen, ganz egal welcher Job und ganz egal wie die persönliche Lebenssituation der Betroffenen aussieht.

DIE LINKE ist gegen diese Zwangsmaßnahmen. Stattdessen richtet sie ihre Jugendpolitik an dem Grundsatz der Chancengleichheit in allen Lebensbereichen aus - § 22 Abs. 2a SGB II sollte folgerichtig ersatzlos gestrichen werden.

 

Von Yvonne Ploetz, MdB DIE LINKE

www.linksfraktion.de, 10 Juni 2011