Zum Hauptinhalt springen

Aus Bildung wird was – aber so nicht!

Kolumne von Rosemarie Hein,

 

Von Rosemarie Hein, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE

 

Vor zehn Jahren haben Bund und Länder vereinbart, im Zweijahresrhythmus einen nationalen Bildungsbericht vorzulegen. Der fünfte ist vor einem halben Jahr erschienen. Wie alle Vorgängerberichte zeigt er detailliert Entwicklungen in allen Bildungsbereichen auf und merkt Bedenkliches und Bedenkenswertes an. Die Bundesregierung gibt dazu eine Stellungnahme ab, und im Bundestag wird dazu debattiert. Und dann? Dann werden eifrig neue Programme erdacht, die an den Fehlstellen angreifen sollen, und es wird ausgeblendet, dass sich eigentlich Grundlegendes ändern müsste, um die Defizite zu beheben.

Nehmen wir nur einmal das „Flaggschiff“ der bundesdeutschen Bildungspolitik, die duale Ausbildung. Anders als in anderen Bildungsbereichen hat der Bund hier tatsächlich etwas zu sagen. Im Bildungsbericht wird angemahnt, dass es seit längerem eine Stagnation der Ausbildungsangebote gebe: „Weder der seit 2004 laufende Ausbildungspakt zwischen Politik und Wirtschaftsverbänden noch die breite politische Rhetorik zu drohenden Fachkräfteengpässen in den letzten Jahren noch auch die korporatistische Steuerung der dualen Berufsausbildung haben im letzten Jahrzehnt ein bedarfsentsprechendes Ausbildungsplatzangebot bewirken können.“ Auch in den schulischen Berufsausbildungen sehe es nicht anders aus.

Was sagt nun die Bundesregierung? Sie spricht von Verbesserungen, von Passungsproblemen, von der Notwendigkeit intensiverer Berufsorientierung und baut auf die neue „Allianz für Aus- und Weiterbildung“. Dabei hat das Bundesinstitut für Berufsbildung erst am Ende des vergangenen Jahres darauf aufmerksam gemacht, dass es nach 2013 im Jahr 2014 einen erneuten Tiefstand bei den bereitgestellten Ausbildungsplätzen gibt. Gegenüber 2013 wurden noch einmal fast 4.000 Stellen weniger angeboten. Zwar steigt auch die Zahl der unbesetzten Stellen (37.101), aber insgesamt mehr als 81.000 haben trotz Bewerbung keinen Ausbildungsplatz bekommen. Wie kann man da auf zurückgehende Schülerzahlen verweisen, wenn noch nicht einmal alle, die sich bewerben, einen Platz erhalten können? Hat die Bundesregierung bei den Grundrechenarten in der Schule gefehlt?

Doch es wird noch merkwürdiger. Im Zusammenhang mit der Klage über den Fachkräftemangel wird oft von der hohen Studierneigung vieler junger Menschen gesprochen. Die Zahl derer, die ein Studium aufnehmen, sei erstmals größer als die, die eine Ausbildung beginnen, und das sei bedenklich. Diese Feststellung blendet aus, dass sich deutlich mehr junge Menschen um eine Berufsausbildung beworben hatten, als tatsächlich am Ende einen Ausbildungsvertrag in den Händen hielten. Und noch viel mehr, nämlich über 800.000, hatten sich bei der Bundesagentur als ausbildungsinteressiert gemeldet, sich dann aber, warum auch immer, anders entschieden. Vielleicht muss über Ursache und Wirkung neu nachgedacht werden statt über immer neue Programme und Pakte, die am Prinzip nichts ändern.

Der neueste Pakt, die „Allianz für Aus- und Weiterbildung“, hat sich noch nicht einmal vorgenommen, so viele Ausbildungsplätze mehr zu schaffen, wie benötigt würden, um allen heute erfolglos gebliebenen Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen. Gerade einmal 20.000 zusätzliche Plätze will man melden – wohlgemerkt melden, nicht neu schaffen – aber 81.000 würden mindestens benötigt. Wie damit Jugendlichen, die erfolglos suchen, drei Angebote gemacht werden können, bleibt das Geheimnis der Rechenkunst der „Allianz“.

Eine Ausbildungsgarantie, wie sie im Koalitionsvertrag steht, wird es damit nicht geben. Das wäre nur möglich, wenn Bund und Länder in dieser Sache selbst agieren könnten. Dazu aber müsste das Grundgesetz auch für die Zusammenarbeit in der Bildung geöffnet werden. Doch das lehnen Bund und Länder bislang ab. Wir bleiben dabei: Junge Menschen haben ein Recht auf Bildung und auf eine vollwertige Ausbildung in guter Qualität. Dazu bedarf es nicht nur einer gesetzlichen Verankerung dieses Rechts, sondern auch der gemeinsamen Finanzierung der Angebote durch den Bund und die Länder.

linksfraktion.de, 14. Januar 2015