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Auf ein Wort mit dem Herausgeber

Periodika von Wolfgang Gehrcke,

Editorial

»Das ist doch nicht normal!«, ereifert sich mein Thekennachbar in einer Frankfurter Äppelwoi-Kneipe im Stadtteil Sachsenhausen bei seinem Bemühen, mich über den zweimaligen Polizeieinsatz bei der Deutschen Bank aufzuklären. Nicht, dass er etwas gegen den Polizeieinsatz einzuwenden hätte. Jedoch die bloße Vorstellung, dass das größte deutsche Bankunternehmen kriminell handelt, ist für ihn nicht normal.

»Jedem Hartz-IV-Empfänger hätten sie schon längst die wenige Stütze gestrichen, aber den Großen da oben stopfen sie alles in den Rachen«, sagt er. Und als er erfährt, dass ich Abgeordneter im Bundestag bin, blickt er mich an, als ob auch ich halb kriminell wäre, und rückt ein Stück zur Seite.

Ja, was ist nun normal und was ist nicht normal? Diese Frage hatte sich schon Bertolt Brecht gestellt: »Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?«, schreibt er in der»Dreigroschenoper«. Diesen Fragen geht auch die aktuelle Ausgabe von clara nach. Denn wer wird eigentlich gerettet mit den milliardenschweren Euro-Hilfspaketen? Die Länder oder die Banken? Axel Troost entwickelt Alternativen. Und was sind eigentlich verschenkte Stimmen? Darüber denkt Ulrich Maurer nach. Was wurde den Bürgern nicht alles versprochen: sichere Renten, sichere Arbeit, sichere Einkommen. Vor jeder Wahl. Was davon wurde eingelöst? Und wer hat nicht aufgehört, Mindestlöhne einzufordern, die Rente erst mit 67 abzuschaffen, gegen das Geschäft mit Wohnungen und Mieten vorzugehen und Altersarmut, auch und besonders bei Frauen, einzudämmen? Es war und ist DIE LINKE. Ein genaues Nachdenken darüber, wessen Stimme also angeblich verschenkt ist, lohnt allemal.

»Das kann doch nicht normal sein«, denke ich auch jedes Mal, wenn ich mir ins Gedächtnis rufe, dass Deutschland mittlerweile auf Platz drei der weltweiten Rüstungsexporteure steht, dass erst vor Kurzem deutsche »Patriot«-Raketen an die syrisch-türkische Grenze verlegt worden sind, dass über Drohnen nachgedacht wird. Wo ist sie hin, die einst so unstrittige Haltung, von deutschem Boden dürfe nie wieder Krieg aus gehen? Was wird der Bevölkerung stattdessen als Normalität verkauft? Darüber denkt Jan van Aken nach. Und Christine Buchholz beleuchtet das »neue« Image der Bundeswehr. DIE LINKE entwickelte dazu eine Ausstellung: Die »neue« Bundeswehr – Werbung und Wirklichkeit. clara stellt die Plakatausstellung vor.

Schon lange nicht mehr normal sind die Zumutungen für die Opel-Werker.Ein Traditionswerk soll dichtgemacht werden. Vielleicht schon im Jahr 2014. Ein existenzielles Drama für die Beschäftigten, für ihre Familien, für die gesamte Region. Adieu Kohle, Stahl und jetzt auch noch Opel. clara war im Revier unterwegs und erkundete, was das Leben zwischen Bochum, Gelsenkirchen, Essen und Dortmund ausmacht. Worauf sind die Menschen stolz, was macht den Pott einmalig und mit welchen Nöten müssen die Leute leben?

Außerdem will ich Sie neugierig machen auf einen neuen Dokumentarfilm, auf meinen Thüringer Abgeordnetenkollegen Jens Petermann und auf eine außergewöhnliche Reisegesellschaft aus Bautzen zu Gast bei uns in der Fraktion.

 

Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre

 

Wolfgang Gehrcke ist Mitglied des Vorstands der Fraktion DIE LINKE