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Auch nach Boston gilt: Mehr Überwachung sorgt nicht für mehr Sicherheit

Kolumne von Halina Wawzyniak,

Von Halina Wawzyniak





DIE LINKE ist zutiefst schockiert über den Bomben-Anschlag auf den Boston-Marathon. Wie verurteilen auf Schärfste diese feige Tat auf eine friedliche Sport-Veranstaltung. Umso entsetzter muss man sein, wenn ein solcher Anschlag wieder einige konservative Politiker dazu bemüßigt, nach mehr Überwachung zu rufen.

Lange hat es nicht gedauert, bis der Bombenanschlag auf den Boston Marathon zu neuen Forderungen nach mehr Überwachung führte. Es ist kaum ein Tag vergangen und schon meldet sich Hans-Peter Uhl (CSU) zu Wort und fordert eine weitreichende Vorratsdatenspeicherung, also die verdachtsunabhängige Speicherung personenbezogener Daten. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft nutzte die Gelegenheit, um die Vorratsdatenspeicherung erneut auf’s Tableau zu bringen. Dies sei für die Polizei ein wichtiges Mittel der Aufklärung, erklärte der Vorsitzende Rainer Wendt. Es ist der übliche konservative Reflex nach solchen ungeheuerlichen Taten: Noch mehr Überwachung unbescholtener Bürgerinnen und Bürger mit dem Versprechen, die Sicherheit zu erhöhen. Allenfalls die Schnelligkeit mit der die Forderungen in die Welt getragen wurden, kann da noch überraschen. Dass die genauen Hintergründe der Tat noch gar nicht bekannt sind, scheint Hans-Peter Uhl genauso wenig zu stören wie Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Hauptsache wieder einen Vorwand gefunden, um mehr Überwachung fordern zu können.

Absolute Sicherheit ist eine Illusion


Dabei zeigen die Anschläge von Boston vor allem eines: Selbst im Land der nahezu unbegrenzten Überwachung, können solche Anschläge nicht verhindert werden. Absolute Sicherheit ist eine Illusion, ein Versprechen, das niemand einlösen kann. Weder Vorratsdatenspeicherung noch Videoüberwachung noch Funkzellenabfragen können Anschläge verhindern und auch der Beitrag einer Vorratsdatenspeicherung zur Aufklärung ist allenfalls als zweifelhaft zu bezeichnen. Dafür soll dann aber ein unvergleichlicher Einschnitt in die Freiheit von Bürgerinnen und Bürgern in Kauf genommen werden. Dafür werden alle Bürgerinnen und Bürger unter General-Verdacht gestellt. DIE LINKE hält das seit jeher für unverhältnismäßig und lehnt die Vorratsdatenspeicherung weiterhin ab. Daran werden auch die neuen Vorstöße aus den konservativen Reihen nichts ändern.

Doch nicht nur die Rufe nach der Vorratsdatenspeicherung müssen Sorgen machen. Gerade peitschte die Große Koalition in Berlin ein Gesetz durch das Abgeordnetenhaus, das die anlasslose Videoüberwachung von Demonstrationen ermöglichen soll.  Vollkommen zurecht kritisiert Udo Wolf, Vorsitzender der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus das Gesetz als verfassungswidrig. Ohne konkreten Anlass sollen "Übersichtsaufnahmen" (so nennt die Polizei die Videoaufnahmen) von Demonstrationen angefertigt werden können. Bisher musste eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehen, um solche Aufnahmen zu rechtfertigen. Dabei besteht die technische Möglichkeit, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstration identifiziert werden. Zwar schließt dies das am vergangenen Donnerstag beschlossene Gesetz aus. Wirklich kontrollieren, was mit den Daten genau passiert, kann aber niemand.

Eklatanter Eingriff in die Versammlungsfreiheit


Für die friedlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Demonstration wird damit eine Drohkulisse aufgebaut, die sie womöglich daran hindert ihr Demonstrationsrecht wahrzunehmen. Das ist ein eklatanter Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Doch das ficht die Damen und Herren der Großen Koalition nicht an. Bedenken werden bei Seite gewischt. Hauptsache das Gesetz tritt pünktlich zum 1. Mai in Kraft. Dem Tag also, in dem in Berlin mehrere Groß-Demonstrationen von Gewerkschaften und linken Gruppierungen stattfinden. Soll sich jeder selbst seinen Teil dabei denken.

Wir als LINKE sagen, dass Sicherheit nicht dadurch erhöht wird, wenn Freiheitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern eingeschränkt werden. Wir als LINKE werden uns weiterhin gegen jeden Eingriff in die Freiheit von Bürgerinnen und Bürger zur Wehr setzen.

linksfraktion.de, 22. April 2013