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2-Grad-Ziel: Beim Klimaschutz vor Ort anfangen

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Stillstand, Blockaden, widerstreitende Interessen. Das war es, was die internationalen Klima-Verhandlungen in den letzten Jahren kennzeichnete. Doch immerhin war das Ziel klar: Die globale Erwärmung muss langfristig auf maximal zwei Grad begrenzt werden. Darauf hatten sich die Regierungschefs beim gescheiterten Klimagipfel in Kopenhagen im Jahr 2009 geeinigt. Jenseits der 2 Grad drohen Kipppunkte im Klimasystem, so die Wissenschaft. Die Folgen des Klimawandels seien dann kaum noch beherrschbar. Das Ergebnis einer neuen Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) ist daher alarmierend: das 2-Grad-Ziel ist heute schon fast außer Reichweite.

70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 44 Forschungseinrichtungen in 17 Ländern arbeiteten an der UNEP-Studie mit dem Titel „Emissions Gap Report 2013“ mit. Ihre einhellige Botschaft: Werden nicht unverzüglich ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen ergriffen, schließt sich die Tür zum 2-Grad-Ziel. Und zwar für immer. Der Klimagas-Ausstoß müsste von heute jährlich 50 Gigatonnen bis zum Jahr 2020 auf 44 und bis Mitte des Jahrhunderts auf 22 Gigatonnen zurückgefahren werden. Dann würde der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur voraussichtlich weniger als zwei Grad betragen. Und Afrika müsste nicht, wie die UNEP-Studie beispielhaft ausführt, in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts etwa 350 Milliarden Euro in die Anpassung an den Klimawandel stecken. Jährlich. Beim derzeitigen Trend aber werden die Treibhausgasemissionen bis 2020 auf 59 Gigatonnen ansteigen, so die Wissenschaftler.

Die Studie ist ein Weckruf kurz vor dem nächsten UN-Klimagipfel. Vom 11. bis 22. November treffen sich die Regierungsvertreter aus aller Welt in Warschau, mit dem vorgeblichen Ziel, der globalen Erwärmung Einhalt zu gebieten. Große Entscheidungen sind bei diesem nunmehr 19. Treffen der Vertragsstaaten der UN-Klimakonvention nicht zu erwarten. Warschau ist nur der Aufgalopp für den nächstjährigen Klimagipfel in Paris. So wie vor sechs Jahren in Kopenhagen soll dann der große Wurf gelingen und ein neues Klima-Abkommen verabschiedet werden. „Meine Hoffnung auf ein wirklich ambitioniertes Klimaschutzabkommen tendiert gegen Null. Versteckt hinter grüner Rhetorik vertreten auch die meisten Klima-Verhandler allein die wirtschaftlichen Interessen ihrer Länder. Und die haben meist nicht viel mit Klimaschutz zu tun“, schätzt Eva Bulling-Schröter die Lage ein. Die Umweltexpertin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag wird am Klimagipfel in Warschau als parlamentarische Beobachterin teilnehmen.

„Wer Klimaschutz will, das 2-Grad-Ziel ernst nimmt, darf sich nicht auf internationale Verhandlungen verlassen“, sagt Bulling-Schröter mit Blick auf nationale und europäische Klimapolitik: „Wir müssen vor Ort, in Deutschland und Europa für eine wirkliche Energiewende streiten. Dies reduziert nicht nur den CO2-Ausstoß, sondern zeigt anderen Ländern: Ja, es geht.“

Bis dahin ist jedoch noch ein weiter Weg. Denn die Bundesregierung setzt ganz unverhohlen Industrie-Interessen vor Klimaschutz. Jüngstes Beispiel: CO2-Grenzwerte für Neuwagen. Die Bundesregierung blockiert in Brüssel nicht nur anspruchsvolle Vorgaben, sie lässt sich ihre Position buchstäblich von der Auto-Industrie diktieren, wie die Deutsche-Umwelthilfe aufdeckte. Im Gegenzug erhält die Union dann auch schon mal großzügige Parteispenden, erst im Oktober flossen 690.000 Euro von den BMW-Eignern Quandt und Klatten in die Parteikasse der Union. Oder man sichert sich direkt die Dienste einiger Politiker – und damit ihrer Netzwerke und Einflussmöglichkeiten: Ex-Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) ist heute Chef des Branchenverbandes der Autoindustrie, Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU) wechselte kürzlich vom Bundeskanzleramt auf den Posten des Daimler-Cheflobbyisten. Ähnlich wie seine Chefin Angela Merkel traf sich von Klaeden in den vergangenen Jahren regelmäßig mit der Autoindustrie, wie eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE enthüllte.

„Wir wollen die Energiewende vor Ort auch dadurch vorantreiben, dass wir das Geflecht von Politik und Industrie offenlegen", erläutert Bulling-Schröter. Nicht immer ist dies schließlich so offensichtlich wie beim diesjährigen Klimagipfel. Auf dessen offizieller Webseite bedankt sich die polnische Regierung bei ihren Partnern für die Unterstützung bei der Vorbereitung der Konferenz. Unter ihnen: der weltgrößte Stahlproduzent ArcelorMittal, der polnische Kohlekonzern PGE, BMW und Opel.

Von Bernd Brouns, Referent für Energiepolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag