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Zwischen einem Tag und fünf Monaten Aufenthalt

erschienen in Querblick, Ausgabe 4,

Frauenhaus Neubrandenburg betreute 1.750 Frauen in 17 Jahren

Reinhard Marschner ist Berater und Pädagoge für Täter von häuslicher Gewalt und gleichzeitig Geschäftsführer des Trägervereins »Quo vadis« in Neubrandenburg, der das Frauenhaus betreibt. Es war das erste Frauenhaus in der ehemaligen DDR, das am 17. Juni 1990 öffnete.

Was hat sich denn am und im Frauenhaus inzwischen geändert?

Die Aufgabe, der wir uns hier seit 1990 stellen, ist in der Tat die gleiche geblieben. Die Rahmenbedingungen für unsere Arbeit haben sich aber verändert. Die Entspannung des Wohnungsmarktes führte u.a. zu einer Verringerung der Platzkapazität, die wiederum einen Umzug in ein kleines Objekt zur Folge hatte. Unser Haus verfügt heute über 12 Plätze. Auch die Anzahl der Mitarbeiterinnen hat sich auf eine Vollzeit- und zwei Teilzeitstellen verringert.

Wie viele Frauen melden sich denn am Tag bei Ihnen?

Das ist sehr unterschiedlich und nicht vorhersehbar oder gar planbar. Als Zufluchtsstätte in Krisensituationen sind wir für hilfesuchende Frauen jederzeit erreichbar. Leider gibt es immer noch Politiker, die den Wert eines Frauenhauses an der Zahl der belegten Plätze bemessen. Da sei mir der Vergleich mit der Feuerwehr gestattet, die ja auch nicht nach der Zahl der gelöschten Brände bezahlt wird. Inzwischen haben ca. 1.750 Frauen und Kinder in unserem Haus Schutz und Zuflucht gefunden. Andere Angebote unseres Vereins können ebenfalls genutzt werden. Dazu zählen eine Anlaufstelle für Opfer von sexualisierter Gewalt, die regionale Interventionsstelle, eine Beratungsstelle für Betroffene von Straftaten sowie eine Männer- und Gewaltberatung. Alle Angebote des Vereins werden von der Bevölkerung angenommen. So nutzten bisher 1.200 Männer die Gewaltberatung und 700 Opfer von sexualisierter Gewalt das Angebot unserer Anlaufstelle.

Welche Frauen kommen zu Ihnen?

Sie kommen aus allen Schichten der Bevölkerung, da gibt es kaum Unterschiede hinsichtlich sozialer Herkunft oder was den Bildungsgrad anbetrifft. Seit 2004 sind es vermehrt auch Frauen aus Aussiedlerfamilien.

Wie unterstützen Land und Kreis Ihre Arbeit?

Die Landesregierung unterstützt uns mit einem Festbetrag. Die Stadt Neubrandenburg beteiligt sich ebenfalls an der Finanzierung dieses so wichtigen Hilfsangebots. Im Zuge der bevorstehenden Gebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern wären neue Überlegungen sicherlich hilfreich. Frauenhäuser sollten zu staatlichen Pflichtleistungen gemacht werden. In ganz Deutschland.
Interview: Frank Schwarz