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Würde es passieren, wenn es Männer wären?

erschienen in Querblick, Ausgabe 16,

Die UN und ihre Mitgliedsstaaten haben nunmehr zehn Jahre Zeit gehabt, die Resolution 1325 umzusetzen. Dennoch fällt die Bilanz bislang geradezu skandalös aus.

Eine der UN-Unterorganisation UNIFEM-Studie untersuchte insgesamt 24 Friedensverhandlungen von 1992 bis 2008 – unter anderem in Afghanistan, Bosnien, Burundi, in der DR Kongo, im Kosovo, im Sudan und in Uganda. In den 14 Fällen, in denen es überhaupt Daten über das Geschlecht der Verhandelnden gab, waren gerade mal 2,4 Prozent der Mitunterzeichnenden weiblich. Der Frauenanteil bei den Unterzeichnenden ist nach der Verabschiedung der Resolution 1325 sogar gesunken: Vor dem Jahr 2000 betrug er bei den untersuchten Abkommen 4,1 Prozent, danach nur noch 1,7 Prozent!

Laut University of Ulster bezogen sich nur 16 Prozent von insgesamt 589 untersuchten Friedensabkommen zwischen 1990 und 2010 in expliziter Weise auf Frauen. Bisher wurde kaum eine Frau zur Leiterin einer UN-Friedensmission ernannt. In der UN-Abteilung für Peacekeeping waren 2010 nur 2,7 Prozent der Militärs, 7 Prozent der Polizisten und 30 Prozent des Zivilpersonals weiblich. Das Versprechen, alle Friedensmissionen mit Geschlechter-Beratenden auszustatten, wurde nicht umgesetzt, 2008 gab es nur zwölf derartige Vollzeitstellen in Friedensmissionen.

Trotz der Appelle des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan, nationale Aktionspläne zur Umsetzung der Resolution 1325 aufzulegen, sind bislang nur 19 von 193 UN-Mitgliedsstaaten dieser Aufforderung gefolgt. Obwohl EU-Länder überproportional vertreten sind, gehört Deutschland explizit nicht dazu.

Schon die rot-grüne Regierung unter Kanzler Schröder, später auch die schwarz-rote und nun die schwarz-gelbe unter Kanzlerin Merkel verwiesen zur Begründung immer wieder darauf, dass man doch schon zwei Aktionspläne habe, den zur zivilen Konfliktbearbeitung und den gegen Gewalt an Frauen, und das sei genug.

Der frühere UN-Sondergesandte Stephen Lewis sieht hier ein strukturelles Versagen der UN und ihrer Mitgliedsstaaten auf allen Ebenen: »Frauen waren nirgendwo an den Friedenstischen. Es ist, als ob die Resolution überhaupt nicht existierte.« Ähnliches drohe der im Juni 2008 verabschiedeten Resolution 1820 gegen sexuelle Kriegsgewalt. »Wenn etwas auf Papier gebracht ist, fühlt niemand mehr die Verpflichtung, es umzusetzen«, so Lewis weiter. Man müsse sich fragen: »Würde so etwas passieren, wenn es um Männer ginge? Die Antwort ist nein. Man kann sich so ein Vorgehen nur erlauben, weil es sich um Frauen handelt.«

Gekürzte und aktualisierte Version einer Rede von Dr. Ute Scheub vom Frauensicherheitsrat (www.frauensicherheitsrat.de) auf der Konferenz »Gender Counts« im März 2010 in Berlin