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Wohnen ist ein Grundbedürfnis

Von Heidrun Bluhm-Förster, erschienen in Clara, Ausgabe 26,

DIE LINKE will dieses Grundbedürfnis als einklagbares Recht in den Menschenrechtskatalog des Grundgesetzes aufnehmen, erläutert Heidrun Bluhm

Die Parteien der gegenwärtigen Regierungskoalition beharren darauf, dass das Bedürfnis nach Wohnen auf dem Wohnungsmarkt zu befriedigen sei. Die Wohnung oder besser das Wohnen – denn dazu gehören mehr als vier Wände und ein Dach – soll also eine ganz gewöhnliche Ware sein. Die Mieterinnen und Mieter sind die Nachfragenden, die Vermieterinnen und Vermieter die Anbieter.

Von den rund 24 Millionen Mietwohnungen in Deutschland werden 61 Prozent von privaten Kleinanbietern gehalten. Unter den professionellen Wohnungsanbietern sind wiederum 17 Prozent privatwirtschaftliche, aber nur je neun Prozent kommunale und genossenschaftliche Wohnungsanbieter zu finden.

Wenn man nun unterstellt, dass lediglich die Genossenschaften nicht zuvorderst Profitinteressen verfolgen, sondern der Förderung ihrer Mitglieder verpflichtet sind, heißt das, dass 91 Prozent der Mietwohnungen, auch die kommunalen, in erster Linie gewinnorientiert vermarktet werden.

Privates Bauen und Sanieren muss sich rechnen. Damit es sich rechnet, werden Milliarden aus öffentlichen Haushalten, also Steuergelder, in Form von Fördermitteln, Zinsvergünstigungen, Steuererleichterungen und Wohngeld als Objekt- oder Subjektförderungen in den privaten Wohnungsmarkt eingespeist. Ohne staatliches Eingreifen wäre der private Wohnungsmarkt längst zusammengebrochen oder auf einen verschwindend kleinen Teil geschrumpft.

Mitgliedschaft in einer Genossenschaft fördern

Die Fraktion DIE LINKE fordert eine energische Aufstockung und Verstetigung der Städtebauförderung, des sozialen Wohnungsbaus und des Wohngelds, weil der gegenwärtige Staat nur auf diese Weise zur Abmilderung der sozialen Folgen von Wohnkostensteigerungen gezwungen werden kann. Es braucht eine deutliche Stärkung des Anteils der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungswirtschaft. Wobei die Kommunen sich noch entscheiden müssen, ob sie ihre Wohnungsunternehmen als Einnahmequelle oder als Daseinsvorsorge sehen wollen.

Das Grundprinzip, dass mit dem Wohnen nicht Gewinnerzielung, sondern die sichere Versorgung der Genossenschaftsmitglieder mit bedarfsgerechtem Wohnraum im Fokus der wirtschaftlichen Betätigung einer Genossenschaft liegt, entspricht unserer Auffassung von Daseinsvorsorge. Darum beschloss auch die Versammlung der Gründungsmitglieder unserer Genossenschaft FAIRWOHNEN Ende September: Wir machen weiter. Mit einem neuen, erweiterten Satzungszweck wird sie sich für die Interessen der fast 30?000 Menschen, die in 42 Städten in vom Verkauf bedrohten Wohnungen leben, starkmachen. Denn der Wunsch der Mieterinnen und Mieter dort ist wie überall: Sie wollen wohnen bleiben und sich das Bleiben auch auf Dauer leisten können. Doch sie haben keine Stimme. Das will die Genossenschaft FAIRWOHNEN ändern. Dazu braucht es zunächst eine Sozialcharta, in der die Interessen der Mieterinnen und Mieter festgeschrieben und die der Verkäufer- und Käuferseite verbindlich geregelt sind. Am besten in den Mietverträgen und vor dem Abschluss des Kaufvertrags.

Darüber hinaus sollte die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft politisch als Form der Existenz- und Altersvorsorge anerkannt und entsprechend gefördert und geschützt werden. Der Markt versagt vor den veränderten Anforderungen an Städtebau und Wohnungswirtschaft. Er muss deswegen nicht völlig verschwinden, aber seine Dominanz muss abgelöst werden von einer systemrelevanten Größe und Qualität der öffentlich und genossenschaftlich betriebenen Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung.

 

Heidrun Bluhm ist wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE