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Wo Recht zu Unrecht wird

Von Katja Kipping, erschienen in Klar, Ausgabe 29,

Teile der sächsischen Justiz haben sich in den vergangenen Jahren bemüht, die Proteste gegen den Naziauflauf zu kriminalisieren.

Jeder macht seins. Politik verabschiedet Gesetze, die Judikatur liegt allein in den Händen der Gerichte. Gewaltenteilung nennt sich das. In Dresden ist alles anders. Hier gibt es Juristen, die selbst Politik machen wollen. Jährlich um den 13. Februar wird Dresden zum gefährlichen Ort. Tausende Nazis veranstalten den größten Naziaufmarsch Europas.

Teile der sächsischen Justiz haben sich in den vergangenen Jahren bemüht, die Proteste gegen den Naziauflauf zu kriminalisieren. Im Repertoire der Kriminalisierung: millionenfache Funkzellenabfragen, Hausdurchsuchungen und hunderte Ermittlungsverfahren.

Das Verfahren gegen Tim ist Teil dieser Reihe. Obwohl sich der Hauptbelastungszeuge als Hauptentlastungszeuge herausstellte. Obwohl es gar keine Beweise gibt. Obwohl auf dem Polizeivideo niemand wirklich zu identifizieren ist – lediglich die Körpergröße ist ähnlich – soll er 22 Monate hinter Gitter. Das Urteil leitete der Richter mit den Worten ein, die Dresdner hätten von den Demonstranten – linken wie rechten – die Nase voll. Tim müsse sich auch anrechnen lassen, was andere getan haben.

Diese Begründung deutet an, dass hier ein Richter seine Kompetenzen klar überschreitet und einen politischen Rachefeldzug führt. Schon im Juragrundstudium lernt man den Grundsatz: keine Strafe ohne (erwiesene) Schuld. Insofern ist die Anti-Nazi-Demonstration in Dresden in diesem Jahr für mich auch eine gegen die Kriminalisierung von Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Katja Kipping ist Vorsitzende der Partei DIE LINKE und Bundestagsabgeordnete