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„Wir fordern einen Rettungsschirm für Kommunen“

erschienen in Klar, Ausgabe 17,

Warum der Bund für die Haushaltsnot verantwortlich ist, erklärt Gesine Lötzsch.


Warum der Bund für die Haushaltsnot verantwortlich ist, erklärt Gesine Lötzsch.

Was ist das größte Problem der Kommunen? 

Gesine Lötzsch: Die Finanz- und Wirtschaftskrise kommt jetzt in den Kommunen mit aller Wucht an. Für die Rettung von Banken hat die Bundesregierung viel Geld ausgegeben: Alle Banken wurden gerettet, keine musste schließen. Aber einen Rettungsschirm für die Kommunen, wie ihn DIE LINKE fordert, gibt es bis heute nicht. Jetzt müssen Kommunen reihenweise Schwimmbäder und Bibliotheken schließen.

 

Wie macht sich die aktuelle Wirtschaftskrise in den Kommunen bemerkbar?

 

Allein die Gewerbesteuer ist zwischen 2008 und 2009 um über 20 Prozent abgesackt. Das ist katastrophal! Die Steuereinnahmen des Bundes sind in der gleichen Zeit „nur“ um vier Prozent gesunken.

 

Inwiefern ist die kommunale Haushaltsnotlage im Bund verursacht?

 

Allein im Zeitraum von November 2008 bis Sommer 2009 wurden von CDU/CSU und SPD zehn Gesetze beschlossen, die bis zum Jahr 2013 Kommunen um 19 Milliarden Euro zusätzlich belasten. Die Haushaltsnot der Kommunen ist also in der Regel nicht hausgemacht, sondern das Ergebnis einer falschen Bundespolitik.

 

Bundesweit müssten Kommunen bis zum Jahr 2020 rund 700 Milliarden Euro investieren, um die Substanz von Straßen und Gebäuden zu erhalten. Verfällt nach und nach die lokale Infrastruktur?

 

In Deutschland wird zu wenig investiert. Die Bundesregierung gibt mehr Geld für Rüstung und Militär aus, als für zivile Investitionen. Das ist absurd! Andere Staaten haben die Herausforderungen erkannt und stecken ihr Geld in Kindergärten, Schulen und Hochschulen.

 

Seit Jahren verkaufen Kommunen Grundstücke, Nahverkehrsunternehmen, Wasserbetriebe, um nicht noch mehr Schulden aufnehmen zu müssen.

 

DIE LINKE will, dass die Menschen über ihr Leben selbst entscheiden können. Das setzt voraus, dass  es etwas zu entscheiden gibt. Durch den Verkauf von kommunalem Eigentum sind die Entscheidungsspielräume in den Kommunen, aber auch in den Ländern kleiner geworden. Das führt bei vielen Menschen zu Politikverdrossenheit. DIE LINKE will die Privatisierung stoppen und kommunales Eigentum zurückgewinnen.

 

Was müsste getan werden, um den Kommunen in dieser Situation zu helfen?

 

DIE LINKE fordert einen Rettungsschirm für Kommunen. Doch der ist nur finanzierbar, wenn wir die Steuern für die erhöhen, die sich in der Krise eine goldene Nase verdient haben. Wir fordern eine Bankenabgabe nach dem Modell von US-Präsident Obama. Das würde im Jahr neun Milliarden Euro bringen. Das Modell von Finanzminister Schäuble (CDU) bringt nur eine Milliarde Euro im Jahr; und dieses Geld soll nicht zur Rettung der Kommunen aufgewandt werden, sondern die nächste Bankenkrise finanzieren.

 

Sie wollen die Gewerbesteuer zu einer Gemeindefinanzsteuer weiterentwickeln. Was verbirgt sich hinter diesem Vorschlag?

 

Die Einnahmen der Kommunen müssen stabilisiert und die Lasten gerechter verteilt werden. Es sollen alle Menschen, die freie Berufe ausüben, eine Gemeindefinanzsteuer zahlen. Denn auch sie nutzen Leistungen in den Kommunen. Natürlich wollen wir Freibeträge für kleine Unternehmen und Existenzgründer in eine solche Steuer einbauen.

 

DIE LINKE will einen gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro einführen. Wie würde sich der gesetzliche Mindestlohn auf die Staatsfinanzen auswirken?

 

Die vorherige Bundesregierung hat auf eine Anfrage von mir ausgerechnet, dass schon bei einem flächendeckenden Mindestlohn von 7,50 Euro die Sozialversicherungen über vier Milliarden Euro mehr einnehmen würden als bisher. Zehn Euro Mindestlohn würde nicht nur die Haushalte von Sozialversicherungen, Bund, Ländern und Kommunen entlasten, sondern einen Konjunkturschub auslösen. Das wäre die beste Medizin gegen die gegenwärtige Krise.

 

Gesine Lötzsch ist stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE