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Widerstand ist notwendig

erschienen in Querblick, Ausgabe 2,

Rente mit 67 – Frauen sind die großen Verliererinnen

Die Bundesregierung will das gesetzliche Renteneintrittsalter auf 67 heraufsetzen. Diese Tatsache, so die Kanzlerin in einem Interview mit dem Südwestrundfunk, mache vielen Leuten Sorgen. Recht hat sie, denn wer früher aus dem Erwerbsleben ausscheidet, muss bis zu 14,4 Prozent Rentenabschläge in Kauf nehmen. Die Folge: Unzureichende Renten, steigende Sozialhilfe oder Grundsicherungsbedarf im Alter. Hauptbetroffene: Frauen.

Damit es zumindest für den Facharbeiter nicht ganz so hart kommt, schüttelt Kollege Müntefering aus seinem roten Schal noch ein kleines Gerechtigkeits-Zuckerstückchen: Wer volle 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, darf sich auch weiter ohne Abschläge mit 65 vom sprichwörtlichen Acker machen, ohne finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen.

Die männliche Form des Facharbeiters ist dabei nicht zufällig gewählt, denn Frauen werden kaum von der Sonderregelung profitieren können. Nur 4  Prozent aller Frauen kommen in den Genuss der Ausnahmeregelung und da sind Kinder- und Erziehungszeiten schon mit eingerechnet. Begünstigt wird allein der männliche Vollzeitbeschäftigte, der ohnehin aufgrund seiner langen Erwerbsbiografie eine im Durchschnitt um 50 Prozent höhere Rente bekommt. Diese Regelung weist eine erhebliche Schlagseite auf: Frauen finanzieren mit ihren Beiträgen die Sonderregelung, von denen letztendlich die Männer profitieren. Zwar regiert eine Kanzlerin, aber da hat sich wohl eine männliche Generationen-Solidarität zu Gunsten einer bröckelnden klassischen Klientel (noch) durchgesetzt.

Die Regierung setzt ihre Frauen diskriminierende Politik also auch in der Rente weiter fort. Gleichzeitig verstärkt sich immer mehr die Tendenz, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigung durch Formen einer nicht die Existenz sichernden Erwerbsarbeit ersetzt wird. So sind Teilzeitarbeit, Minijobs und befristete Beschäftigungsverhältnisse vor allem Frauenarbeit, gerade in Westdeutschland. Wo Betreuungsplätze fehlen, müssen Mütter zeitlich flexibel sein. Für viele ist deshalb die Teilzeitarbeit die einzige Möglichkeit, überhaupt zu arbeiten. Das macht sich auch bei den Löhnen und spätere Renten bemerkbar: Männer verdienen rund ein Viertel mehr als Frauen. Diese Einkommensschere wird sich jetzt noch weiter zu Lasten der Frauen öffnen.

Hinzu kommt: Betriebsrenten gibt es für Frauen kaum. In Ostdeutschland haben Frauen verstärkt mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen: Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern sind sie die Ersten, die vom Arbeitsmarkt verdrängt werden. Gut die Hälfte aller Frauen in den neuen Bundesländern sind im Jahr 2005 aus der Arbeitslosigkeit in Rente gegangen. Davon ganze 76 Prozent mit Abschlägen.

Diese Zahlen belegen: Der Arbeitsmarkt bietet Frauen keine reale Chance – ein späterer Renteneintritt wird ihre Situation im Alter weiter verschlechtern. Notwendig ist aus Sicht der Linken deshalb ein tief greifender Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt und in der Alterssicherungspolitik. Das nützt allen. Frauen wie Männern.

Volker Schneider, MdB, Rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE