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Was muss uns die Pflege wert sein?

Von Pia Zimmermann, erschienen in Klar, Ausgabe 45,

Auf der Suche nach Unterstützung werden Menschen mit Pflegebedarf und ihre Angehörigen immer häufiger von Pflegediensten abgewiesen: »Leider keine Kapazitäten mehr. Wir bitten um Verständnis!« Besonders im ländlichen Raum nimmt dieses Problem zu. Pflegeheime und ambulante Dienste können Stellen nicht besetzen, weil sich auf Ausschreibungen niemand meldet. Mehr als fünf Monate bleiben offene Stellen in der Altenpflege durchschnittlich unbesetzt. Für die Beschäftigten bedeutet die Nichtbesetzung: mehr Dienste, mehr Menschen zu versorgen, mehr Schreibarbeit. Für die Menschen mit Pflegebedarf bedeutet das wiederum: Für sie gibt es weniger Zeit, weniger Kompetenz, weniger Lebensqualität. Das ist eine Entwicklung, die sich seit Jahren ankündigte. Die Bundesregierung äußert sich jetzt häufiger zur Pflege. Endlich, könnte man meinen. Aber was wird sie unternehmen? Zum größten Teil sind die Probleme in der Pflege hausgemacht. Sie wären relativ leicht zu ändern, wenn man es nur tatkräftig anpackt.

 

Beispiel Privatisierung

Mehr als 16 Prozent der Pflegeheimplätze und mehr als 65 Prozent der ambulanten Pflegedienste befinden sich in privater Hand. Für die freie Wirtschaft steht nicht das Wohl der Menschen mit Pflegebedarf und der Beschäftigten im Vordergrund. Ihr erster Unternehmenszweck ist es, Gewinne zu machen, alles andere ordnet sich unter. Personalkosten sind der größte Kostentreiber, wenn Pflege als Renditegeschäft betrieben wird.

 

Beispiel Entlohnung

Die Gehälter, die in der Altenpflege und der ambulanten Pflege gezahlt werden, spiegeln nicht einmal im Ansatz die hohe Verantwortung der Beschäftigten wider noch die große gesellschaftliche Relevanz ihrer Arbeit. Im Durchschnitt verdient eine Altenpflegefachkraft 2.621 Euro brutto monatlich. Dabei ist die regionale Spanne breit: Sie reicht von einem Durchschnittsverdienst von knapp 3.000 Euro in Baden-Württemberg bis 1.985 Euro in Sachsen-Anhalt, weist also auf ein starkes Ost-West-Gefälle hin. In Niedersachsen, dem Westbundesland, in dem am schlechtesten gezahlt wird, beträgt der Durchschnittslohn 2.528 Euro. Fazit: Große Lohnunterschiede für die gleiche Arbeit.

 

Unsere Lösung

Eine Pflege in kommunaler Hand, damit die Bedürfnisse der Menschen, die gepflegt werden, im Mittelpunkt stehen können. Die Kommunen müssen strukturell und finanziell in die Lage versetzt werden, diese Verantwortung wahrzunehmen. Die Pflege darf nicht dem Markt überlassen werden. Wenn Standards in der Pflege vergleichbar sein sollen – sowohl bei den Arbeitsbedingungen wie auch bei den Menschen mit Pflegebedarf –, benötigen wir politische Steuerung bis in die Kommunen hinein. Nur so kann das Ziel einer guten Pflege erreicht werden. Dafür braucht es keine halbherzigen Kampagnen aus dem Gesundheitsministerium. Dafür braucht es den Mut, die Menschen über den Profit zu stellen.

Pia Zimmermann ist pflegepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE