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Was macht die Kunst?

erschienen in Lotta, Ausgabe 2,

Das fragte Lotta die Schauspielerin Yelka Marada. Sie hatte nach der ersten Lotta-Ausgabe an die Redaktion geschrieben und von Künstlerinnen, die arm dran sind, erzählt. Sie selbst gehört dazu.

Wir sind in ihrer kleinen Wohnung am Rande von Berlin Charlottenburg verabredet. Yelka Marada hat Fotos herausgesucht, Zeitungsartikel von ihren ersten Filmen. Denn sie stand schon als Kind vor der Kamera. Sie drehte in Paris, Bordeaux, Rom, München. Arbeitete mit Regisseuren wie Hark Bohm und Alf Brustelli, beides Filmemacher der Generation Rainer Werner Fassbinder. Mit 16 Jahren stieg die Halbwüchsige aus. Die Glitzerwelt hatte sie überfordert. Der Film aber, die Theaterwelt ließen sie trotzdem nie los. Mit 29 Jahren lernte Yelka Marada darum das Schauspielhandwerk erneut. Diesmal professionell an der Schauspielschule. Sie spielte Stücke von Dario Fo, schlüpfte in die Rolle der Ulrike Meinhof, war die Elektra, inszenierte Märchen für Kinder. Fand am Münchner Theater für Kinder sogar für eine kurze Zeit eine Festanstellung.

Das alles ist lange her, inzwischen ist Yelka Marada 48 Jahre alt und lebt von Hartz IV. Dabei hatte sie zuvor viel versucht auf dem freien Markt: Werbefotos, eine Kindertheaterinszenierung, Lesungen, eine Ausbildung als Kunsttherapeutin auf eigene Kosten. Die Aufträge aber waren zu spärlich und zu schlecht bezahlt. Darum ging Yelka Marada zusätzlich jobben. Als Putzfrau, als Fabrikarbeiterin, als Küchenhilfe.

Das tun etwa 80 Prozent der freien SchauspielerInnen und TänzerInnen. Denn seit den 90er Jahren – auch wenn die Öffentlichkeit es kaum wahrnahm – verschlechterte sich die Lebens- und Arbeitssituation der KünstlerInnen enorm. Frauen – so der »Report Darstellende Künste« über die Lage der Theater- und Tanzschaffenden – verdienen ein Drittel weniger als Männer. Im Durchschnitt 9.430 Euro. Im gesamten Jahr, nicht im Monat. Bei Männern sind es rund 14.000 Euro Jahreseinkommen. Bei den bildenden KünstlerInnen ist es noch dramatischer. 2008 lag das Jahreseinkommen bei durchschnittlich 6.043 Euro, 2010 waren es unterm Strich nur noch 5.346 Euro. Das ergab eine Umfrage des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler 2011. Die Studie stellte weiter fest, dass gut 90 Prozent der KünstlerInnen nicht von ihrer Kunst leben können, trotzdem beantragen aber nur etwa sechs Prozent das Arbeitslosengeld II, sprich Hartz IV. Sich da hineinzubegeben sei ambivalent, sagt Annemarie Helmer-Heichele, die Vorsitzende des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler. Denn der Gang zum Jobcenter sei »das sehr persönliche Eingeständnis, vermeintlich in der Kunst versagt zu haben«.

Yelka Marada erzählt, sie sei mit Hoffnung zum Jobcenter gegangen. Denn nach einer Operation am Knie und einem Hüftleiden braucht sie einen Stock als Gehhilfe. Damit war sie als Schauspielerin nicht mehr vermittelbar. Ihre Bitte in der Beratung, eine Ausbildung als Theaterpädagogin machen zu dürfen, blieb ungehört. Monatelang, erst als Yelka Marada eine Anwältin – auf eigene Kosten beauftragt – kam die Ermutigung vom Jobcenter, sich in Heidelberg bei der Akademie für Theaterpädagogen zu bewerben. Sie bestand die Aufnahmeprüfung, kurz vor Schulbeginn aber lehnte das Jobcenter die zertifizierte Weiterbildung ab. Yelka Marada hatte dem Jobcenter acht Stellenangebote für Theaterpädagogen vorgelegt. Das Angebot des Jobcenters für die ausgebildete Schauspielerin lautete am Ende: Bürohilfe für fünf Stunden in der Woche.