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Wann, wenn nicht jetzt? Energie in kommunale Hände

erschienen in Clara, Ausgabe 30,

Hamburg sagte ja, Berlin scheiterte nur knapp mit dem Volksentscheid über den Stromnetzrückkauf. Bürger wollen mitreden bei Strom, Gas und Fernwärme.

Einen positiven Effekt hat der knapp gescheiterte Volksentscheid zur Rekommunalisierung des Berliner Stromnetzes auf jeden Fall: So ausführlich wurde in den Medien selten das Für und Wider kommunaler oder privater Netzbetreiber erörtert. Auch über die profitablen Gewinne des Konzessionsinhabers Vattenfall war zuvor öffentlich nicht viel zu lesen.

Nahezu 600.000 Berlinerinnen und Berliner votierten am 3. November 2013 für die Übernahme des Stromnetzes und die Errichtung eines ökologisch ausgerichteten Stadtwerks in kommunaler Hand. Beachtlich und doch knapp am Quorum vorbei. Nur etwas über 21.000 Stimmen fehlten am Ende zum Erfolg.

Stefan Taschner, Sprecher des Berliner Energietischs, ist trotzdem optimistisch. »Mit dem Rückenwind von 599.565 Ja-Stimmen werden wir den Druck auf den Berliner Senat aufrechterhalten«, erklärt er. Dass allein schon der Weg zum Plebiszit Wirkung in der Politik entfaltet hatte, war lange vorher spürbar. »Ohne unsere Initiative für den Rückkauf des Stromnetzes und die Gründung eines Stadtwerkes hätte sich der Senat kaum geregt«, sagt Taschner. Auch wäre die landeseigene Berlin-Energie ohne das Bürgerengagement nicht gegründet worden. Als kommunaler Betreiber bewirbt sie sich um das Berliner Stromnetz.

Bürgerwille kann bewegen

Unübersehbar war, wie viele Stolpersteine der rot-schwarze Senat dem Volksentscheid in den Weg gerollt hatte. So wurde beispielsweise verhindert, den Bürgerwillen zusammen mit der Bundestagswahl am 22. September abzufragen. »Das hätte eine höhere Beteiligung und den Erfolg bedeutet«, so Taschner. Hamburg scheint der Beweis dafür zu sein. Der Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze fand am Tag der Bundestagswahl statt, sowohl das Quorum als auch die Mehrheit der Ja-Stimmen wurden in der Hansestadt erreicht.

Sorgenfrei sind trotz des Erfolgs die Hamburger Initiatoren des Volksentscheids auch nicht. Zwar habe der Hamburger Senat erklärt, dass er das Bürgervotum umsetzen wolle, so Manfred Braasch von Unser Hamburg – Unser Netz. Doch verlaufe das bislang schleppend. Immerhin muss nun eine städtische Netzgesellschaft gegründet werden, die bis zum Stichtag 15. Januar 2014 ihr Interesse an der Konzession für das Hamburger Stromnetz bekundet. Darüber hinaus wünscht sich die Initiative eine stärkere Einbindung der Öffentlichkeit. Manfred Braasch: »Viele Hamburger haben sich während des Volksentscheids engagiert, viele sind auch an der Umsetzung interessiert.«

Wer künftig die Stromnetze in Hamburg und Berlin betreiben wird, ist derweil offen. Die Europäische Union schreibt sogenannte diskriminierungsfreie Vergabeverfahren für die Netzkonzessionen vor. Das heißt, dass private wie kommunale Bewerber nach einheitlichen Kriterien begutachtet werden. Den Zuschlag erhält der Bewerber, der nach Paragraf 1 Energiewirtschaftsgesetz das preisgünstigste, verbraucherfreundlichste, effizienteste und umweltfreundlichste Gebot vorlegt. In Hamburg gehören bereits 25,1 Prozent der Stromnetz Hamburg GmbH der Stadt, über die Vergabe des »Restes« muss bis Ende 2014 entschieden werden.

Die Gunst der Stunde

Dass sich mit Energieversorgungsnetzen gutes Geld machen lässt, beweist das große Interesse an den Konzessionen für Strom-, Gas- und Fernwärmenetze. In den letzten knapp zwanzig Jahren haben neben Vattenfall vor allem RWE, E.ON und EnBW von der damaligen Privatisierung der Netze profitiert und satte Gewinne gescheffelt – Gewinne, die jetzt in Hamburg bleiben könnten. »Mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr« würde die Stadt mit diesen drei Netzen einnehmen, heißt es bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Unterm Strich wären das »mehr als 100 Millionen Euro Gewinn«, aus denen Kreditzinsen und Tilgung, aber auch andere städtische Aufgaben finanziert werden könnten.

In Berlin gab es unmittelbar vor dem Volksentscheid zum kommunalen Rückkauf der Energienetze noch eine Art »Beruhigungspille« für die Bevölkerung. Knapp zwei Wochen vor der Abstimmung wurde der Beschluss zur Gründung eines Stadtwerkes gefasst. Mit einer Mini-Finanzausstattung von 1,5 Millionen Euro. Dass es mit dem entsprechenden Willen zum kommunalen oder genossenschaftlichen Betrieb auch ganz anders geht, zeigt das Beispiel Schönau in Baden-Württemberg. Hier ist das Stromnetz seit 1997 in der Hand der örtlichen Elektrizitätswerke Schönau, die seit 1999 auch bundesweit Ökostrom anbieten. Mitbegründerin und Stromrebellin Ursula Sladek erhielt in diesem Herbst für ihr Engagement den Deutschen Umweltpreis.

Derzeit werden viele Netzkonzessionen neu vergeben, und bundesweit bewerben sich Kommunen um den Eigenbetrieb der Netze. Konzessionen werden meist für 10 bis 20 Jahre vergeben. Die Chancen auf Rekommunalisierung und somit Energie preisgünstig, verbraucherfreundlich, effizient und umweltfreundlich zu produzieren, waren lange nicht so gut.