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Von der Rente muss man gut leben können

erschienen in Clara, Ausgabe 5,

Rentenexperte der LINKEN Volker Schneider wehrt sich gegen Zwangs-verrentung

Die neue Sitzungsperiode des Bundestages hat begonnen. Volker Schneider hat -
wie schon vor der Sommerpause - alle Hände voll zu tun. Der Saarländer ist rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE und für alles zuständig, was in irgendeiner Weise mit dem Thema Rente zu tun hat: Egal, ob es um die Reform der Unfallversicherung, Rente mit 67 oder um wachsende Altersarmut geht - das Thema erregt die Gemüter. »Als mich die Fraktion im Februar 2006 fragte, ob ich mir vorstellen könne, den Bereich zu übernehmen, war mir nicht klar, wie umfangreich dieses Sachgebiet ist. Mir ist es, glaube ich, ganz gut gelungen, mich schnell und gründlich in die Materie einzuarbeiten«, sagt der gelernte Sozialarbeiter.

Rente mit 67 war gleich ein ganz »dicker Brocken«. Neben der inhaltlichen Arbeit galt es auch, Bündnispartner wie Gewerkschaften und Sozialverbände zu gewinnen, Flugblätter zu entwerfen und eine große Fraktionsanhörung zu organisieren. »Auch wenn wir die Rente mit 67 nicht verhindern konnten, sind wir gestärkt aus der Debatte hervorgegangen«, resümiert Volker Schneider. Mittlerweile lehnen 82 Prozent aller Menschen in Deutschland das höhere Renteneinstiegsalter ab.

Eine einheitliche soziale Rentenversicherung für alle

Das Thema bleibt im zweiten Halbjahr einer der Schwerpunkte der Fraktion. Dazu wurde unter der Federführung von Volker Schneider ein sechs Punkte umfassendes Rentensofortprogramm ausgearbeitet. Kern dieses Konzeptes ist eine einheitliche soziale Rentenversicherung für alle. Zusammen mit Gewerkschaften und Sozialverbänden fordert DIE LINKE deswegen eine Erwerbstätigenversicherung, in die Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen und -nehmer zu gleichen Teilen einzahlen. Auch Abgeordnete und Selbstständige sollen sich ohne Ausnahme an dieser Versicherung beteiligen. Die gesetzliche Rente muss wieder die tragende Säule im System der Alterssicherung werden. Außerdem sollen die Renten im Osten endlich auf das West-Niveau angehoben werden.
»Für viele Menschen reicht die gesetzliche Rente bereits heute kaum aus, um in Würde und ohne Existenzängste ›alt‹ zu werden.« Das ärgert Volker Schneider, denn eigentlich könnte das System sehr gut funktionieren. Die Rentenreformen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass das Leistungsniveau immer weiter absinkt. Altersarmut hat längst die Mitte der Gesellschaft erreicht.
Die neuen Bundesländer oder auch das Saarland sind von einem vorher nie gekannten Strukturwandel betroffen. »In Ostdeutschland war 2005 fast jeder zweite Rentner vorher arbeitslos«, berichtet Volker Schneider. Gravierende Auswirkungen auf die soziale Absicherung der Menschen ist eine der Folgen. Allein im Saarland bestreiten mittlerweile mehr als 10.000 Menschen ihren Lebensunterhalt im Alter mit der im Jahr 2003 eingeführten Grundsicherung. Tendenz steigend. »Ich kenne aus meinem Wahlkreis viele Menschen, die Anfang oder Mitte 50 sind und keine Aussichten mehr auf einen neuen Job haben. Mit Appellen an die Wirtschaft und halbherzigen Initiativen wie ›50plus‹ ist es
nicht getan«, sagt Volker Schneider.

Erst Abstellgleis und dann Rentenkürzung

Einer von ihnen ist Hans-Georg Schmidt, 63. Wie viele seiner Generation kann er auf ein langes Arbeitsleben zurückblicken: Mit 14 begann er eine Ausbildung als Bergbautechniker. Nach der Bundeswehr sattelte er auf Kaufmann um und war viele Jahre lang Bereichsleiter in einem großen Konzern. »Irgendwann merkte ich, dass mir das nicht reichte, also drückte ich noch einmal die Schulbank.« Schmidt entschloss sich, Betriebswirtschaft zu studieren. In den letzten 15 Jahren arbeitete er dann als Personalsachbearbeiter. Zuletzt bei einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, die sich um die Eingliederung von Langzeiterwerbslosen in den ersten Arbeitsmarkt kümmerte. »Ich war dort Mädchen für alles: Finanzen, Personal-planung und alles, was sonst noch dazugehört.« Dann kamen 2003 die Hartz-Reformen der rot-grünen Bundesregierung. Dies bedeutet aber gleichzeitig auch weniger staatliche Zuschüsse. »Innerhalb des Betriebes mussten wir komplett umstrukturieren«, erinnert sich Schmidt. Auch beim Personal wurde eingespart. »Für mich war dann Ende 2005 Schluss«, so Schmidt. Seitdem sei nicht viel passiert: Im September dieses Jahres feiert Schmidt seinen 63. Geburtstag und könnte sich langsam auf seine verdiente Rente freuen. Die hat er sich schon ausrechnen lassen: Nach fast 50-jähriger
Berufstätigkeit kann er davon leben.
Hans-Georg Schmidt ärgert jedoch, dass von der Arbeitsagentur, außer den üblichen Fortbildungsseminaren, nichts zu erwarten ist. Im September läuft sein Arbeitslosengeld I aus. Ab da heißt es dann Grundsicherung für Arbeitsuchende - Hartz IV also und damit »Abstellgleis«.

DIE LINKE wehrt sich
gegen Zwangsverrentung

So, wie es jetzt aussieht, wird Hans-Georg Schmidt ab dem nächsten Jahr zwangsverrentet werden. Ob er will oder nicht, er muss in Rente gehen. Schuld daran ist die rot-grüne Hartz IV-Gesetzgebung. Sie schreibt vor, dass ältere ALG II-Empfänger zum frühestmöglichen Zeitpunkt ihre Rente beantragen müssen. Ansonsten kann die Agentur oder Kommune selbst einen Rentenantrag stellen, auch wenn dies mit erheblichen Abschlägen in der Alterssicherung verbunden ist. Noch verhindert die sogenannte 58er-Regelung die Zwangsverrentung. Diese läuft Ende 2007 aus. Bisher konnten Erwerbslose, die das 58. Lebensjahr erreicht haben, auf Antragstellung von der Arbeitsvermittlung entbunden werden und bis zum Eintritt ins reguläre Rentenalter im ALG II-Bezug verbleiben. Der Vorteil für die Agentur für Arbeit: Hans-Georg Schmidt würde in der Erwerbslosenstatistik nicht mehr erscheinen und müsste dementsprechend auch nicht mehr vermittelt werden. Dies hätte für die Agentur oder Kommunen den angenehmen Nebeneffekt, dass sie obendrein auch noch Geld sparen würden. Ab 2008 wird jedoch der Sozialträger alle Männer ab 63 und alle Frauen ab 60 Jahren in die Rente zwingen. Enorme Abschläge von bis zu 18 Prozent wären die Folge. Meist besitzen Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien auch keine weiteren Rücklagen. Dies führt dazu, dass sie aufgrund ihrer häufigeren Erwerbslosigkeit eher unter die Regeln zur Zwangsverrentung fallen werden. Ihre Rente ist sowieso ohne Abschläge nur selten höher als die Sozialhilfe. Durch die zusätzlichen Einbußen sind sie dann für den Rest ihres Lebens auf die Grundsicherung im Alter angewiesen.

Menschen müssen sich auf ihre Rente verlassen können

Durch die Zwangsverrentungsmaßnahmen wird die Anhebung des Renteneinstiegsalters zu einer Farce. »Es kann doch nicht sein, dass die Bundesregierung einerseits verlangt, dass die Menschen länger arbeiten sollen und sie an-dererseits zwangsverrentet. Gerade mit der Notwendigkeit der Verlängerung der Lebensarbeitszeit begründete aber die schwarz-rote Bundesregierung die Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre«, ärgert sich Volker Schneider. »Wir haben durch zahlreiche Anfragen und Anträge im Bundestag, die Öffentlichkeit auf dieses Problem aufmerksam gemacht. DIE LINKE will, dass die Menschen sich nach lebenslanger Arbeit darauf verlassen können, nicht im Alter auf das Sozialamt angewiesen zu sein. Das sind wir ihnen schuldig.« Volker Schneider weiß, dass hier noch eine Menge Arbeit auf ihn wartet und fügt hinzu, »aber wenn nicht jetzt, wann dann.«