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Virtuelle Schnüffelei

Von Jan Korte, erschienen in Klar, Ausgabe 23,

Deutsche Ermittlungsbehörden treiben sich verstärkt auf privaten PCs herum – und verstoßen damit gegen das Grundgesetz.

Schon seit Langem ist bekannt: Deutsche Ermittlungsbehörden benutzen sogenannte Staatstrojaner zur Überwachung von E-Mails und Diensten wie Skype. Alles angeblich streng kontrolliert. Doch kürzlich flog der Einsatz eines Trojaners auf, der deutlich mehr kann und für Entsetzen unter Datenschützern sorgte.

Der enttarnte Trojaner überwacht die Tastatur des PC-Nutzers, kann also alle geschriebenen Texte mitlesen. Zudem spürt er alle auf dem Computer gespeicherten Dateien auf – egal ob privat oder geschäftlich. Keine Internetaktivität des PC-Nutzers bleibt dem Programm verborgen. Besonders skandalös: Dank des Trojaners können auf den Computer neue Programme geladen werden – vom Besitzer unbemerkt. Sogar die Computerkamera lässt sich so ferngesteuert anschalten: Spionage im Schlafzimmer von PC-Besitzern. Damit nicht genug: Diese Daten werden zur Verschleierung des deutschen Behördenstandortes über einen US-amerikanischen Server geleitet – unverschlüsselt. Auch die Amerikaner können also mitlesen, mithören, mitsehen.

Die Möglichkeiten des neuen Programms sind groß, genauso wie seine Gefahren. Nach Ansicht des Chaos Computer Clubs steht ein mit dem Trojaner infizierter PC »offen wie ein Scheunentor«. Unerwünschte Dritte können sich Zugang zum PC des jeweiligen Nutzers verschaffen. Die Behörden haben mit dem Trojaner nicht nur ein Instrument zur Überwachung, sondern auch zur Manipulation des PCs in der Hand. Aus Verdächtigen können so Schuldige gemacht werden: Mit dem Trojaner könnten belastende Dateien auf dem Computer gespeichert werden. Ins Fadenkreuz der Ermittler kann jeder geraten. Die Kommunikation mit einem »infizierten« PC-Nutzer reicht, um einen unbelasteten PC-Nutzer in den Überwachungsradius der Fahnder geraten zu lassen.

Für Jan Korte, Datenschutzbeauftragter der Fraktion DIE LINKE, ist das ein eklatanter Verfassungsbruch. Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im Februar 2008 der Überwachung von Internetkommunikation enge Grenzen gesetzt. Die Liveberichterstattung aus deutschen Wohnzimmern für neugierige US-amerikanische und deutsche Staatsbeamte etwa war damit klar ausgeschlossen.

Weil solche Verstöße nicht zum ersten Mal passieren und vom Bundesverfassungsgericht verschiedenste Ermittlungsmethoden reihenweise kassiert oder zumindest zurechtgestutzt wurden, fordert Jan Korte: »Online-Untersuchungen müssen aus dem Instrumentenkoffer der Sicherheitsbehörden entfernt werden – aus Respekt vor den Rechten der Bevölkerung und weil es technisch nicht möglich ist, ihre Anwendung verfassungskonform zu gestalten.«