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Verteidigung ist noch immer der beste Angriff

erschienen in Clara, Ausgabe 11,

Der Rechtsanwalt Rüdiger Helm hilft Arbeitnehmern bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Das hat einen Anfang und findet kein Ende. Die Zeiten sind so.

»Wir schaffen das nötige Gegengewicht«, so steht es auf der Homepage der Kanzlei Rüdiger Helm, gleich auf der Startseite. »Egal ob Abmahnung, Mobbing oder Kündigung - Probleme des einzelnen Arbeitnehmers mit seinem Arbeitgeber lassen sich selten allein lösen.«

Das ist eine so einfache Wahrheit. Sie ist untrennbar verbunden mit der Verfasstheit des Landes, der zunehmenden Einschränkung der Arbeitnehmerrechte, der wachsenden Anzahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse, dem Verschwinden des Sozialstaates, der Art und Weise, wie Unternehmen agieren.

So zum Beispiel: Ein Münchener Unternehmen der öffentlichen Hand holt sich eine externe Unternehmensberatung, um Vorkehrungen zu treffen, die die Arbeitszeiten und die Rechte künftiger Arbeitnehmer betreffen. Die Berater raten zur Gründung einer Tochterfirma. Die hat vorerst zwölf Angestellte. Die Unternehmensleitung installiert einen einköpfigen Betriebsrat, der für die künftige Belegschaft, die rund 250 Leute umfassen wird, eine Betriebsvereinbarung schließt. So bekam man schon einmal die gewünschten Arbeitszeitregelungen. Die Tochterfirma setzt auf Leiharbeit. Leiharbeit ist gut für Arbeitgeber, mit Leiharbeitern kann man umspringen. Die kommen und müssen bald wieder gehen. Sechs Jahre lang wurden die Beschäftigten in stets befristeten Arbeitsverhältnissen im Kreis herumgeschickt. Lohnsenkungen lassen sich so gut durchsetzen, denn nie hat man einen starken Gegner, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Eine Belegschaft, die gewachsen ist, in der es Zusammenhalt gibt und vielleicht Kampfgeist, kann so auch gar nicht erst entstehen.

Tricks, um Betriebsräte
zu verhindern

Liebend gern kümmert sich Rüdiger Helm um solche Fälle. Wirklich liebend gern. Er ist seit Jahren Gewerkschaftsmitglied, hat in Tarifkommissionen gesessen, als Betriebsrat gearbeitet, war Gesamtbe-triebsratsvorsitzender, schult und bildet Gewerkschaftsmitglieder und Betriebsräte. Wissen ist noch immer Macht gewesen. Und eine Freude ist es, wenn sich damit Siege erringen lassen, auf die vorher nur wenige gewettet haben. Das wissen Helm und sein Team. Der 44-jährige Anwalt erzählt solch eine Geschichte, wie die aus München, und sagt: »Wozu brauche ich da noch politische Kontrolle, wenn selbst Unternehmen der öffentlichen Hand so agieren dürfen?« Und er sagt weiter: »Arbeitnehmer sind immer die strukturell Schwächeren, und gegenwärtig wird mit der Schaffung eines enorm zahlreichen Prekariats Armut politisch organisiert. Da muss man sich nicht noch auf die Seite der Stärkeren schlagen. Die haben schon genug Unterstützung in der Politik.«

Rüdiger Helm sieht sich aus persönlicher Überzeugung heraus ausschließlich als Interessenvertreter von Arbeitnehmern und Betriebsräten. Dabei kann es sich um ganz große Dinge und um wichtige Kleinigkeiten handeln.

Es gibt eine Kooperation von zehn Kanzleien in Deutschland, die sich gemeinsam stark machen gegen die systematische Ausspähung von Beschäftigten in Discounter-Filialen des Einzelhandels. Grund für diese Skandale sei, hieß es in einer Erklärung, dass Deutschland bislang nicht über eine gesetzliche Regelung des Ar-beitnehmerdatenschutzes verfüge. Dazu komme, dass Unternehmen mit sehr ausgeklügelten Methoden versuchten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich für einen Betriebsrat einsetzen, loszuwerden.

Rüdiger Helm sagt, man muss die Möglichkeiten aufzeigen, die es für Arbeitnehmer gibt. Vor allem aber muss man sich wehren. »Man darf sich zum Beispiel, wenn man einen Betriebsrat gründen will, nicht zu früh outen. Erst wenn die Betriebsversammlung zur Gründung eines Betriebsrates einberufen ist, tritt Kündigungsschutz ein. Also gilt es, strategisch klug zu agieren.« Oft scheitert die Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte - egal, ob es sich um Individual- oder Kollektivrechte handelt - daran, dass zu hohe Kosten für Rechtsanwalt und Rechtsstreit befürchtet werden. Rüdiger Helm weiß das und bietet an, Lösungen für Beratungs- und Prozesskostenhilfe zu finden.

Arbeitnehmerdatenschutz ungeklärt

Der Münchner Anwalt wird nicht müde zu erklären, wie wichtig es ist, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es das Betriebsverfassungsgesetz ohne die Gewerkschaften nicht gäbe. »Es ist ein wichtiges Gesetz, obwohl es auch zur Schwächung der Gewerkschaften eingeführt wurde, die zwar die Tarifverträge aushandeln, aber innerbetrieblich handeln die Betriebsräte als Interessenvertreter. In neunzig Prozent der Fälle stößt die Bildung von Betriebsräten auf den erbitterten Widerstand der Arbeitgeber. Oft ist es so, dass die versuchen, ihre eigenen Kandidaten aufzubauen, die dann später eigentlich nur Vollzugshelfer der Unternehmenspolitik sind.«

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Gründung von Betriebsräten zu unterstützen, ist auch das Anliegen der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Vor einigen Wochen trafen sich einige Abgeordnete mit Vertretern der Gewerkschaften. Sie diskutierten, wie Arbeitgeber rechtliche Lücken im Betriebsverfassungsgesetz nutzen, um Betriebsratsgründungen zu verhindern. »Es geht hier nicht nur um das Unternehmen Lidl und den Einzelhandel. Das Problem gibt es ebenso bei den Gebäudereinigern, im Baugewerbe und Kfz-Handwerk, bei Bäckereiketten und in der Gastronomie«, kritisiert die Zwickauer Abgeordnete Sabine Zimmermann. Sie ist zugleich DGB-Vorsitzende in Südwestsachsen und kennt die Hürden für Betriebräte. »Beschäftigten wird ihr Recht verwehrt, einen Betriebsrat zu gründen. Dafür nutzen Arbeitgeber u. a. fehlenden Kündigungsschutz für Kandidaten des Wahlvorstandes und un-durchsichtige Konzernstrukturen aus.« Um dies zu verhindern, will DIE LINKE. eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes und ist deswegen auch mit Rüdiger Helm im Gespräch.

Reform des Betriebs-verfassungsgesetzes nötig

Es ist unglaublich, was Unternehmen alles versuchen, um Betriebsräte kaltzustellen. Das sieht zum Beispiel so aus: Der Betriebsrat eines bundesweit aufgestellten Filialunternehmens ist für rund 120 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zuständig. Er pocht auf sein Recht, einen Computer mit entsprechender Infrastruktur bereitgestellt zu bekommen, um seinen gesetzlichen Aufgaben nachgehen zu können. Der Arbeitgeber lehnt ab. Das Landesarbeitsgericht München aber gibt dem Betriebsrat Recht. Rüdiger Helm schreibt dazu: »Es ist schlicht würdelos und nicht sachgerecht, wenn die gewählte Vertretung der Beschäftigten keinen Computer mit Textverarbeitungsprogramm zur Verfügung gestellt bekommt.« Würdelos, ein gutes Wort. Gerade wenn es um solche Dinge geht wie um die Überwachung von Lidl-Mitarbeitern selbst auf der Toilette, um Lochwände hinter den Schlecker-Kassen, mit deren Hilfe Kassiererinnen bespitzelt werden, kann von Würde nicht die Rede sein. Jedenfalls haben Unternehmer, die so etwas tun, keine. Die, deren Würde verletzt wurde, brauchen dann meist tatsächlich Rechtsbeistand, wenn sie sich wehren wollen. So einen wie Rüdiger Helm beispielsweise.

Erst kürzlich hat der 65. Deutsche Juristentag einen massiven Abbau von Arbeitnehmerrechten gefordert, so die Abschaffung des Anspruches auf Teilzeitarbeit und die weitere Lockerung des Kündigungsschutzes. »Dabei ist der Kündigungsschutz ja schon nichts anderes als ein Kündigungserlaubnisgesetz«, sagt Helm, der solche Forderungen hochproblematisch findet. Da muss man das nötige Gegengewicht schaffen.