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Tücken des Unterhaltsrechts gehen weiter

erschienen in Querblick, Ausgabe 3,

Frauen bleiben durch die Reform weiterhin benachteiligt

Selbst die Bundesjustizministerin war mit dem Kompromiss der großen Koalition zum Unterhaltsrecht unzufrieden: Wenig »lebensnah« nannte sie das Ergebnis der zähen Verhandlungen zwischen Union und SPD. Die Koalition betont, durch die Reform würden die »Eigenverantwortung« Erwachsener gestärkt und die Kinder privilegiert. Kinder werden in der Rangfolge der Unterhaltsberechtigten künftig vor Erwachsenen stehen, die Möglichkeiten der Beschränkung des nachehelichen Unterhalts werden erhöht und der Mindestunterhalt für Kinder neu definiert.

Unverheiratete Mütter, die Anspruch auf Betreuungsunterhalt haben, sollten in der Rangfolge der
Unterhaltsansprüche sogar gegenüber Geschiedenen und Ehegatten schlechter gestellt werden. Das hatte die Union durchgesetzt, die so auf absurde Weise die Bedeutung der Ehe betonen wollte. In letzter Minute hat das Bundesverfassungsgericht diesen Plänen einen Riegel vorgeschoben. Beim Betreuungsunterhalt, der dem Kindeswohl dient, spielt der Trauschein keine Rolle, so die RichterInnen. Deshalb ist die Schlechterstellung unverheirateter Betreuender in der Rangfolge oder bei den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt verfassungswidrig. Dies hatte DIE LINKE. schon vor dem Richterspruch betont. Die Koalition muss nun neu verhandeln.

Auch wenn Eltern ohne Trauschein auf mehr Gleichbehandlung hoffen dürfen: Die Reform verschlechtert die Situation von Unterhaltsberechtigten. Geschiedene Frauen werden häufiger leer ausgehen und auf das eigene Einkommen oder Sozialleistungen angewiesen sein. Kinderarmut wird durch die Reform trotzdem nicht verringert. Der Mindestunterhalt für Kinder sinkt sogar um 36 Euro auf nun 304 Euro.

Die Ehe als Versorgungsinstrument für Frauen, wie die Union sie sieht, wurde aus feministischer Sicht schon oft kritisiert. Die finanzielle Unabhängigkeit vom Partner oder der Partnerin zu ermöglichen, ist wichtiges gleichstellungspolitisches Ziel der LINKEN. Bereits Clara Zetkin benannte diesen Aspekt der Gleichberechtigung 1890: »Wie der Arbeiter vom Kapitalisten unterjocht wird, so die Frau vom Manne; und sie wird unterjocht bleiben, solange sie nicht wirtschaftlich unabhängig dasteht.« Deshalb ist für DIE LINKE. nicht der Kampf für ein möglichst großzügiges Unterhaltsrecht entscheidend, sondern die individuelle Existenzsicherung von Frauen.

Der Gesetzentwurf der Koalition geht aber von einer bereits erfolgten Veränderung der Geschlechterverhältnisse zu einem egalitären und partnerschaftlichen Modell von Ehe, Familie und Erwerbsleben aus, das in der sozialen Wirklichkeit so nicht realisiert ist. Gerade Ehefrauen verdienen entweder gar nicht oder weniger Geld und arbeiten häufig in nicht existenzsichernden Arbeitsverhältnissen. Sie stellen demzufolge nach Trennung und Scheidung auch die Mehrheit der Unterhaltsberechtigten. Gleichzeitig sind gerade Frauen von den wirtschaftlichen Folgen von Trennung und Scheidung besonders negativ betroffen. »Bereits jetzt ist der nacheheliche Unterhalt keineswegs ein Instrument, das Armut verhindert! Die sozial Ungesicherten nach einer Scheidung sind in der Regel die Frauen«, betont die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE., Kirsten Tackmann.

Das Unterhaltsrecht kann diese Situation nicht beheben: »Es muss endlich die Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt beendet und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ?gewährleistet werden«, so Tackmann. Finanzielle Unabhängigkeit für Frauen kann nicht punktuell im Recht des nachehelichen Unterhalts festgelegt werden, ohne die strukturellen Rahmenbedingungen zu verändern. Die Bundesregierung bleibt Konzepte, die auf die Verbesserung der Situation von Frauen zielen, weiter schuldig.

Maria Wersig