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Total marode Treuhand

erschienen in Clara, Ausgabe 17,

Gegründet wurde die Treuhandanstalt vor zwanzig Jahren, um das Volkseigentum zu wahren. Nach Einführung der D-Mark aber hat sie dieses Eigentum privatisiert oder vernichtet. Das tun ihre Nachfolgeorganisationen noch heute.

»Zur Wahrung des Volkseigentums wird mit Wirkung vom 1. März 1990 die Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums gegründet.« So stand es im Gesetzblatt der DDR vom 8. März 1990. Das 41. Jahr der DDR war schon fünf Monate alt und würde das wahrlich letzte dieses Landes sein. Aber das wusste noch niemand.

Die Idee mit der Treuhandanstalt wurde in der Zeit der Modrow-Regierung von klugen Wissenschaftlern erfunden, mit klugen Bürgerrechtlern diskutiert und vom Runden Tisch akzeptiert. Ostdeutsche sollten zu wirklichen Eigentümern der Produktionsmittel und Volkseigentum sollte in marktwirtschaftlich passende Formen umgewandelt werden. Während die einen darüber nachdachten, wie ostdeutsches Privateigentum geschaffen werden kann, gaben andere, wie der Staatssekretär im Bonner Finanzministerium, Horst Köhler, ein Konzept für die schnelle Einführung der D-Mark in Auftrag. Beides ging nicht zusammen. Denn mit der D-Mark würde das stärkere System kommen, und das war nun mal eindeutig die bundesdeutsche Wirtschaft.

Entwertung des Volkseigentums


Niemand in Westdeutschland brauchte die Wirtschaft der DDR. Der Absatzmarkt des untergehenden Landes war für die nur zu 75 Prozent ausgelastete BRD-Wirtschaft ein riesiges Geschenk. Schon am 20. Juli 1990 meldeten die Zeitungen, dass es in den meisten Wirtschaftsbereichen der DDR bergab gehe. Von 8000 als »Aktiengesellschaften oder GmbH im Aufbau« bezeichneten Kombinatsbetrieben stellten innerhalb kurzer Zeit 5000 einen Antrag auf Liquiditätsbürgschaften.

Als die DDR-Volkskammer am 17. Juni 1990 unter der Regierung Lothar de Maizière das »Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens« (Treuhandgesetz) beschloss, hatte dies mit der nur wenige Wochen alten Ursprungsidee nichts mehr zu tun. Deren Urheber hatten sogar über Anteilsscheine für DDR-Bürger nachgedacht, um die Transformation von Volks- in Privateigentum zu gestalten. Das klingt heute wie ein schönes Märchen.

Als Wahrerin bundesdeutscher Wirtschaftsinteressen hat die Treuhand getan, was sie tun konnte: Sie hat die DDR-Unternehmen, die tatsächlich eine Konkurrenz darstellten, vom Markt gedrängt und Verbindungen der DDR-Wirtschaft nach Osteuropa gekappt. Sie hat die Filetstücke der DDR-Betriebe an westdeutsche Investoren verkauft, DDR-Industrieanlagen demontiert, Fachkräfte aus den neuen Bundesländern abgezogen und flächendeckend deindustrialisiert.


Die Treuhand existiert noch


Die Wirtschaftsministerin im Modrow-Kabinett, Christa Luft, nannte es bei der Anhörung »20 Jahre Treuhandanstalt: Gestern – Heute – Morgen« der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag »die größte Vernichtung von Produktivvermögen in Friedenszeiten«. Das ist richtig, und dies war der Auftrag der Treuhand. Deshalb hatte es auch seine Logik, dass sich Auflöser, Abwickler und Privatisierer mit Hasardeuren und Betrügern mischten, nicht zu reden von all der geballten Inkompetenz, die sich in einem Unternehmen breit machen konnte, das seine Mitarbeiter von der Haftung für grobe Fahrlässigkeit freistellte.

»Die Abwicklungspolitik der Treuhandanstalt und ihrer Nachfolgeorganisationen hat dem Osten die Zukunft verbaut«, erklärte Roland Claus, Ostkoordinator der Fraktion DIE LINKE, im Rahmen der Anhörung im April 2010. »Bis heute wirkt das gewaltige Ausmaß der Deindustrialisierung nach: Fachkräfte mussten zwangsemigrieren, traditionelle Kooperationen der Betriebe mit der Wissenschaft sind gekappt, einstige Verbindungen von Wirtschaftseinheiten und sozialen Aufgaben delegitimiert worden.«

Die Treuhand existiert auch heute noch, in Form verschiedener Nachfolgeorganisationen. Die TLG Immobilien GmbH beispielsweise privatisiert Liegenschaften, und die Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG) verpachtet und verkauft land- und forstwirtschaftliche Flächen. Noch immer steht über allem Tun der Satz: »Privatisierung ist die wirksamste Sanierung«.

Von der Treuhand lernen


Ein Anwalt hat vor einiger Zeit von der BVVG für 400.000 Euro den Wandlitzsee gekauft. Die Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE Gesine Lötzsch ließ eine Mitarbeiterin den Versuch unternehmen, in den alten Bundesländern einen See zu finden, den man kaufen kann. Sie hatte kein Glück.

Die Geschichte der Treuhand hat ein Gutes: Man kann aus ihr lernen. Man kann lernen, dass Misstrauen angemessen ist, spricht jemand vom »Gebot der Stunde« und behauptet, es gäbe keine Alternative.


Man kann lernen, dass Widerstand nottut gegen den Privatisierungswahn, dem die Nachfolgeorganisationen der Treuhand weiterhin frönen. Man kann lernen, dass Rekommunalisierung eine Lösung ist und erkämpft werden muss. Man kann lernen, dass Menschen in Ost und West an einem Strang ziehen können – denn schlecht geht es den Kommunen hier wie dort. »Vom Verlierer nicht lernen heißt verlieren lernen« nennt Daniela Dahn es in ihrem Buch »Wehe dem Sieger«. Ein schöner Titel übrigens.