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Tanz am Abgrund

erschienen in Klar, Ausgabe 40,

Mirja Kühn ist Bühnentänzerin, diplomierte Tanzpädagogin und Choreografin. Studiert hat sie in Rotterdam vier Jahre lang an der Dans academie. Danach ging sie noch einmal eineinhalb Jahre nach New York, um sich im modernen Tanz weiterzubilden. „Gute Ausbildung, also gute Voraussetzung für einen Job“, dachte sie. 

Doch der Traumjob als Bühnentänzerin stellte sich bald als Albtraum heraus. Dafür reichte eine einzige Spielzeit am Stadttheater Hildesheim: Verfügbarkeit rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Ein Leben außerhalb des Theaters gab es nicht. Dazu kam die schlechte Bezahlung.

Tänzerinnen und Tänzern geht es ähnlich wie bildenden Künstlerinnen und Künstlern in Berlin. Deren Durchschnittseinkommen erreicht noch nicht einmal die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens aller abhängig Beschäftigten. Fast 70 Prozent verfügen über ein Einkommen von maximal 12.000 Euro im Jahr. Viele sind von Zuwendungen der Lebenspartner und Eltern abhängig. Ebenso viele – nämlich etwa 10 Prozent – müssen aufstocken. Fakten, nachzulesen beim Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Berlin.

Was Mirja Kühn blieb: die Freiberuflichkeit. Sie kreiert eigene Auftritte und gibt Tanzunterricht, zurzeit an drei Stellen in Hannover. Drei Jobs, der Unterricht immer nur stundenweise, dreimal unterschiedliche Vorbereitungen. Das lässt sie finanziell über den Alltag kommen und ihre Miete bezahlen. Doch die Zukunft sieht düster aus. Der jährlich ins Haus flatternde Rentenbescheid sagt ihr, im Alter wird sie monatlich 400 Euro erhalten. Das liegt weit unter der gesetzlich festgeschriebenen Grundsicherung.

95 Prozent der freien Künstlerinnen und Künstler können nicht von ihrer Kunst leben. Die Künstlerinitiative art but fair schreibt provokant „von den Hungerleidern der Nation“. Im März 2016 erhielt beispielsweise der Kulturausschuss des Bundestags eine aktuelle Studie zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen professioneller Jazzmusikerinnen und -musiker. Das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt auch hier bei maximal 12.500 Euro. Brutto! Viele Musiker gehen oftmals mit nicht mehr als 50 Euro pro Auftritt nach Hause. Von solchen Honoraren kann man kaum überleben, geschweige denn fürs Alter vorsorgen.

Die Armut im Alter ist somit für viele Künstlerinnen und Künstler vorprogrammiert. Mirja Kühn sagt, sie muss deshalb „unbedingt gesund bleiben“, um möglichst lange arbeiten zu können. Die jährliche Rentenmitteilung möchte sie „am liebsten wegschmeißen“. Manchmal denkt sie darüber nach, vielleicht doch irgendwann eine eigene Tanzschule aufzumachen. Auch wenn sie ahnt, dass sich ihre finanzielle Situation im Alter dadurch nicht wirklich verbessern wird. 

Gute Renten für alle

Mit diesen acht Schritten will die Fraktion DIE LINKE die Rente wieder sicher machen und Altersarmut verhindern.

 1. Das Rentenniveau sinkt seit dem Jahr 2000 und wird im Jahr 2030 nur noch bei 44,6 Prozent liegen. Das Rentenniveau muss wieder auf 53 Prozent angehoben werden. 

 2. Der geltende gesetzliche Mindestlohn reicht nicht, um nach langjähriger Beschäftigung eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu garantieren. Der Mindestlohn muss zügig auf 12 Euro erhöht werden.

 3. Für „Gute Arbeit“. Erwerbslosigkeit muss bekämpft werden, und Leiharbeit und sachgrundlose Befristungen sind abzulehnen. Minijobs führen zu Minirenten, besonders bei Frauen. Jede Stunde Arbeit muss sozialversicherungspflichtig sein, mit mehr Arbeitgeberbeteiligung. 

 4. Riester-Rente: Alle Riester-Sparerinnen und -Sparer sollen ihre erworbenen Ansprüche freiwillig auf ihr persönliches Rentenkonto bei der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen können. Die steuerliche Riester-Förderung wird eingestellt. Das Geld muss in die gesetzliche Rente fließen.

 5. Eine solidarische Mindestrente für diejenigen, die wegen Erwerbslosigkeit, Krankheit oder langen Phasen mit niedrigen Löhnen keine auskömmliche Rente erarbeiten konnten. Sie soll aus Steuern finanziert und einkommens- und vermögensgeprüft sein. Niemand soll im Alter von weniger als 1.050 Euro netto leben müssen.

 6. Gleiche Renten in Ost und West für die gleiche Lebensleistung. Der Rentenwert Ost muss auf das Westniveau angehoben und die Löhne müssen bis zur fast vollständigen Lohnangleichung weiter umgerechnet werden. 

 7. Die gesetzliche Rentenversicherung wird zu einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung ausgebaut, in die alle Erwerbstätigen einzahlen, auch Politiker, Selbstständige und Beamtinnen. 

 8. Gerechte Finanzierung. Unternehmen und Beschäftigte sollen wieder zu gleichen Teilen die Kosten der Alterssicherung tragen.