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Staat macht Reiche reicher

erschienen in Clara, Ausgabe 4,

Die Unternehmenssteuerreform der großen Koalition ist sozial ungerecht und gesellschaftspolitisch schädlich

Am 1. Januar nächsten Jahres soll in der Bundesrepublik wieder einmal eine Unternehmensteuerreform in Kraft treten. Nachdem Rot-Grün seit 2000 Unternehmen und Bestverdienenden rund 23 Milliarden Euro jährlich Steuern schenkt, müssen diese sich bei der Reform der Großen Koalition geradezu »bescheiden«: Nach Berechnungen der Bundesregierung springen gerade fünf Milliarden Euro an Steuersenkungen für große, ertragstarke Unternehmen und Vermögende heraus - schließlich soll es bei der Reform, glaubt man dem Koalitionsvertrag, nur um eine »Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts« gehen. Sachverständige gehen allerdings davon aus, dass die steuerliche Entlastung deutlich höher ausfallen wird als von der Bundesregierung vorgegeben. Von jährlich 12 bis 15 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen ist hier die Rede.

Steuermehreinnahmen an verschiedenen Stellen schön gerechnet

Dies liegt im Wesentlichen daran, dass die Entlastungen durch die Senkung des Körperschaftsteuersatzes und die Begrenzung des Einkommensteuersatzes für Unternehmer vom ersten Tag wirken und dauerhaft sind. Demgegenüber sind die Steuermehreinnahmen aus den Gegenfinanzierungsmaßnahmen an verschiedenen Stellen schöngerechnet. So werden z. B. auf der Finanzierungsseite der Unternehmensteuerreform Mehreinnahmen »aus der Sicherung des Steuersubstrats« in Höhe von rund 3,9 Milliarden Euro jährlich veranschlagt. Die Bundesregierung geht dabei davon aus, dass durch ihre heilbringende Reform Unternehmen zukünftig verstärkt ihre Gewinne in der Bundesrepublik versteuern. Gerade dieses Vertrauen wurde bereits bei früheren Steuerreformen schwer enttäuscht. Beispiel Eichelsche Steueramnestie: Rot-Grün hatte allen Steuersündern, die ihre Kapitaleinkünfte beim Fiskus zuvor nicht angegeben hatten, Straffreiheit
versprochen, wenn sie diese Einkünfte ab einem Stichtag angeben und ordentlich versteuern würden. Fünf Milliarden Euro Steuermehreinnahmen sollten dadurch in die öffentlichen Kassen fließen. Am Ende zählte man 1,25 Milliarden Euro. Statt Steuer›amnestie‹ ist also bei zahlreichen Steuerpflichtigen bezüglich ihrer Kapitaleinkünfte auch weiterhin Amnesie angesagt.

Bundesrepublik ist schon jetzt kein »Hochsteuerland«

Von der sogenannten Strukturreform des Steuerrechts wird also nichts als eine massive Senkung der Unternehmensteuern bleiben. So wird der Körperschaftsteuersatz um zehn Prozentpunkte auf 15 Prozent gesenkt. Dies kostet rund 12,5 Milliarden Euro jährlich. Mit dieser massiven Steuersatzsenkung wird der Körperschaftsteuersatz ab 2008 am unteren Ende der Skala aller EU-Länder liegen: Der durchschnittliche Körperschaftsteuersatz der EU-Mitgliedstaaten alt beträgt 31,5%, der EU-Staaten neu 20,5 % (Durchschnitt OECD 28,1%, Durchschnitt G7 36,5%). Diese Entlastung durch die Steuersätze ist dauerhaft und vor allem überflüssig. Die Bundesrepublik ist bereits aktuell alles andere als ein »Hochsteuerland«. Die effektive Steuerbelastung von Unternehmen lag 2005 bei 16%. Der Anteil der Gewinnsteuern (Erträge der Kapitalgesellschaften) am Bruttoinlandsprodukt lag 2003 in der Bundesrepublik bei 1,3%. Zum Vergleich: Die OECD-Quote betrug 3,3%, die der EU-19 3,1%. Angesichts dessen kann man von der Bundesrepublik eher von einer »Steueroase« als einem »Hochsteuerland« sprechen.

Mit dieser massiven Senkung des Körperschaftsteuersatzes setzt sich die Bundesregierung außerdem an die Spitze des internationalen Steuersenkungswettbewerbs. Allerdings wird dies - selbst wenn man dieser Standortlogik folgen wollte - nicht sonderlich erfolgreich sein, werben doch zahlreiche europäische Staaten für Ansiedlungen von Unternehmen nicht vordergründig mit der Höhe bzw. Tiefe des Steuersatzes, sondern mit steuerlichen Regelungen für spezifische Gestaltungsmodelle. Nicht umsonst sind die Niederlande in Europa Holdingstandort Nummer eins.

Angesichts der wachsenden Belastungen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, so wurde z.B. die Entfernungspauschale massiv eingeschränkt, sowie der Empfänger und Empfängerinnen von Sozialtransfers und der Anhebung der Mehrwertsteuer ist die Unternehmensteuerreform nicht nur sozial ungerecht, sie ist gesellschaftspolitisch schädlich. Notwendig ist vielmehr eine Unternehmensteuerreform, die Steuervorteile für Unternehmen abbaut, Schlupflöcher schließt und dadurch - statt Nettoentlastungen für Unternehmen - Steuermehreinnahmen für die öffentlichen Kassen sichert.

Daniela Trochowski