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Schluss mit Sexismus in der Werbung

erschienen in Lotta, Ausgabe 12,

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Mit provokanten und provozierenden Aktionen geht der Verein Pinkstinks gegen Sexismus in der Werbung vor. Und er ist erfolgreich damit.

Sexismus ist in aller Munde, aber niemand scheint so richtig zu wissen, was genau das sein soll. Seitdem Pinkstinks im Jahr 2012 von ein paar Aktivist*innen mit viel Herzblut und ohne finanzielle Mittel an den Start gebracht wurde, stehen wir immer wieder vor diesem Phänomen. Die Bild-Zeitung wirft uns vor, Nacktheit verbieten zu wollen. Der Chef der FDP, Christian Lindner, nennt uns prüde. Beides trifft nicht zu und beides hat nicht unmittelbar etwas mit Sexismus zu tun. Eigentlich ist die Definition ganz einfach: Sexismus ist die Diskriminierung aufgrund von Geschlecht. Und als solche ist er schlicht und ergreifend nicht hinnehmbar. Weil man irgendwo anfangen muss – und weil wir weder die Zwangseinteilung von Kindern in rosa-hellblaue Stereotypwelten noch das permanente Bombardement mit sexistischen Motiven in diversen Medien länger hinnehmen wollten –, stinken wir gegen Werbung als Teil der alltagssexistischen Gesellschaft an.

Zunächst haben wir das mit sehr überschaubaren Mitteln gemacht. Mit Straßentheater, ein paar Leuten, die uns in den sozialen Netzwerken gefolgt sind und jeder Menge Wut im Bauch. Gegen die Sendung Germany’s Next Topmodel, bei der junge Frauen und Mädchen buchstäblich bis zum Erbrechen zu normierter Schönheit und überschlanken Körpern angehalten werden. Gegen Werbeplakate von Axe, auf denen Männer Astronauten sein durften und Frauen nur halbnackter Zierrat. Und immer wieder gegen das, was wir Pinkifizierung nennen. Sie wissen schon: Wenn Spielzeugabteilungen zweigeteilt sind und man Sie in Verkaufsgesprächen immer wieder fragt, ob Sie nun ein Junge oder ein Mädchen haben. Wenn sich die Industrie die Hände reibt, weil Sie das funktionstüchtige Fahrrad ihrer ältesten Tochter nicht ihrem Sohn vermachen können – es ist nämlich rosa und rosa geht für Jungen gar nicht.

Nur in diesem Zusammenhang stinkt uns pink. Nicht als Farbe oder als Lust an Verschönerung und klassischer Femininität. Sondern als übergriffiger Imperativ, der Menschen dazu auffordert, ihre Geschlechtsidentität gefälligst durch stereotype Verhaltensweisen zu belegen.

Inzwischen hat sich einiges getan. Das anfängliche Interesse der Presse an unserem »verrückten Protest« hat sich verstetigt. Pinkstinks hat sich zu einer kleinen, aber schlagkräftigen Nichtregierungsorganisation entwickelt, die mittels Spenden Kampagnen entwickelt, Lobbyarbeit betreibt, mit Theaterstücken und Aufklärungsmaterialien an die Schule geht, Protest auf die Straße bringt und versucht, Gegenbilder zu entwickeln. Wütend sind wir immer noch. Frauen werden nach wie vor dazu benutzt, ohne jeden Produktbezug in diskriminierender Weise Waren aufzuwerten. Aber wir finden immer mehr Mittel und Wege, dagegen vorzugehen. Zum Beispiel mit dem Vorschlag zu einer Gesetzesnorm, die die krassesten Formen von sexistischer Werbung verbieten soll und die in einem ersten Teilerfolg dafür sorgen wird, dass die Politik den deutschen Werberat dazu anhält, deutlich härter gegen derartige Motive vorzugehen. Und auch bei den erwähnten Gegenbildern tut sich was.

Dass Sie im Katalog von Tchibo Jungen und Mädchen sehen, die die gleichen Sachen tragen und mit den gleichen Sachen spielen dürfen, ist das Ergebnis monatelanger Überzeugungsarbeit unsererseits. Wenn Sie im vorweihnachtlichen Berlin spazieren waren, werden Sie Plakate von  uns gesehen haben, die sehr deutlich machen, dass sexy und sexistisch nicht das Gleiche ist.

Der sexistischen Einfalt Vielfalt entgegensetzen und sie überall da stoppen, wo wir sie aufhalten können – das ist seit vier Jahren der Plan. Für die Umsetzung dieses Plans werden wir weiter um politische und zivilgesellschaftliche Unterstützung werben. Denn das, was viele als feministisches, humorbefreites Nischenthema abtun, brennt tatsächlich an allen Ecken und Enden. Es bleibt viel zu tun.

 

Nils Pickert ist Chefredakteur bei Pinkstinks

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