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Schluss mit dem Opel-Poker: Wir wollen mitbestimmen!

erschienen in Clara, Ausgabe 14,

Gastbeitrag von Michael Müller - Betriebsrat von Opel Bochum

»Opel gerettet!« - so lautete die große Schlagzeile zwei Wochen vor der Bundestagswahl. Sie bedeutete für die bei Opel Beschäftigten und ihre Familien eine Erlösung nach Monaten der Angst. Völlig überraschend gab General Motors Anfang November bekannt, Opel doch nicht an Magna zu verkaufen. Keiner weiß, wie es weiter gehen soll. Der Fall Opel zeigt, wie ganze Belegschaften Spielball von großen Unternehmen sind. Aber dem müsste nicht so sein. Es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen und Alternativen aufzuzeigen.
Es ist seit langem kein Geheimnis mehr. Die gesamte Automobilindustrie ist von Überkapazitäten geprägt. Seit Jahren schon wäre es möglich, jedes dritte Werk weltweit zu schließen, ohne dass ein Auto weniger verkauft würde.
Dazu kam in den letzten Monaten die Finanz-und Wirtschaftskrise. Bei Opel wurde die Situation besonders schwierig, als die amerikanische Konzernmutter General Motors Ende Mai dieses Jahres Insolvenz nach amerikanischem Recht beantragte. Um nicht Teil der Insolvenzmasse zu werden, musste Opel aus dem GM-Konzern herausgelöst werden. Deshalb wurde eine Treuhand gebildet. Über staatliche Bürgschaften konnte Opel vor der Insolvenz bewahrt werden. Dieses Treuhandmodell wäre ohne die Bundestagswahl niemals zustande gekommen.

Die meisten politisch verantwortlichen Akteure hätten sich ohne Wahlkampf wohl auf den Standpunkt zurückgezogen, der Markt regle sich selber. Aber die schwarz-rote Regierung kannte die Lage bei Opel und die Ängste der Beschäftigten. Monatelang wurden sie für ihren Wahlkampf durch populäre Auftritte ausgenutzt. Frau Merkel ließ sich zwei Wochen vor der Wahl als »Retterin« feiern, und der CDU-Ministerpräsident Rüttgers nannte sich selbst »Arbeiterführer«. So sicher schien sich die Politik darin zu sein, dass der Deal mit Magna funktioniert.

Ob alle Opel-Mitarbeiter dem auch glaubten, das ist zu bezweifeln. Aber sie waren bereit, europaweit auf jährlich mehr als 265 Millionen Euro an Lohn und Gehalt zu verzichten. Die deutschen Standorte hätten davon mehr als 176,8 Mio. Euro aufzubringen. Zudem sollen europaweit mindestens 10500 Arbeitsplätze vernichtet werden, mehr als 4500 davon in Deutschland. Alles sei »beherrschbar und verhandelbar«, so verkündete es Merkel noch kurz vor der Wahl. Das war ein großer Bluff.

Anstatt nur Bürgschaften und Wahlkampfversprechen zu geben, hätte die Regierung Opel in die öffentliche Hand überführen müssen. Verbunden mit umfangreichen Belegschaftsanteilen und Mitbestimmungsrechten für die Mitarbeiter wäre so tatsächlich ein »beherrschbares und verhandelbares« Konzept entstanden.
In Deutschland haben wir schon eine solche Erfolgsgeschichte. Es ist das VW-Gesetz aus dem Jahr 1960. Es hat sich in Krisensituationen bewährt und bindet den Staat in das Wirtschaftsgeschehen ein. Das Land Niedersachsen ist an VW beteiligt. Mit der Treuhandlösung, den staatlichen Krediten und Bürgschaften wäre genau das auch für Opel möglich. In den letzten Monaten ist Opel durch die Bürgschaften der Regierung ja ohnehin schon fast ein Staatsbetrieb gewesen. Löhne und sonstige Leistungen wurden über Staatsgelder finanziert. Aber eben - und das war der große Fehler der Politik - ohne sich im Gegenzug weitreichende Eigentums- und Mitspracherechte zu sichern.

Welche Aussichten haben wir? - Die Marke Opel und die meisten Standorte in Europa sind zukunftsfähig. Es lohnt sich, alles für die rund 25000 Arbeitsplätze bei Opel und den Zulieferern allein in NRW zu unternehmen. Außerdem kämpft der Bochumer Standort darum, das Elektro-Fahrzeug Ampera fertigen zu können. Die Lehre aus dem Desaster bei Opel kann nur lauten: Wir brauchen einen Politikwechsel. Statt den gigantischen Abbau von Arbeitsplätzen bei Opel zu subventionieren, sollte Opel mit Hilfe von Bund und Ländern zu einem sozialen und ökologischen Mobilitätskonzern umgebaut werden. Dazu bräuchte es neben einer Partei wie DIE LINKE zudem eine soziale Bewegung, die mit uns für eine soziale und ökologische Zukunft kämpft. Die sich für ein Vetorecht bei Werksschließungen und Verlagerungen einsetzt und die Rechte der betrieblichen Arbeitnehmervertreter stärkt.