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„Rosa würde täglich provozieren“

erschienen in Klar, Ausgabe 16,

Von Rosa Luxemburg wird behauptet, sie hätte keine Bedeutung mehr. Das Berliner GRIPS Theater inszenierte ein Stück über sie, das wochenlang ausverkauft war. Die Schauspielerin Regine Seidler erzählt, wie diese Rolle sie verändert hat und warum Rosa aktuell ist.

Von historischen Figuren wie Rosa Luxemburg wird oft behauptet, sie hätten uns nichts mehr zu sagen. Waren Sie überrascht vom Erfolg des Stückes?

Regine Seidler: Ein wenig schon. Aber vor allem haben mich die unterschiedlichen Reaktionen überrascht. Es gab Jugendliche, die noch nie etwas von Rosa Luxemburg gehört hatten und ganz erstaunt waren, wie modern diese Frau vor 100 Jahren gelebt und gedacht hat. Es gab DDR-Sozialisierte, die sich besonders für Rosas Auseinandersetzungen mit Lenin interessierten und dafür, wie lebendig die Vorzeige-Kommunistin war. Viele wollten plötzlich mehr wissen und fingen an, Texte von ihr zu lesen.

Was macht Rosa so interessant?

Ihre Intelligenz. Ihre Sensibilität. Ihr Lebenshunger. Ihr Kampf für Gerechtigkeit, ihre Auseinandersetzung mit Armut und Reichtum. Bei ihr blieb kein Stein auf dem anderen: Ihr Verhalten, alles immer zu hinterfragen, das ist als Lebenshaltung großartig. Nach den Vorstellungen gab es etliche Diskussionen über Politik, Liebe, über Kompromisslosigkeit und darüber, wie man sinnvoll lebt.

Welche schönen Reaktionen haben Sie in Erinnerung?

Am schönsten sind die unmittelbaren Reaktionen während der Vorstellung. Wenn ich es schaffe, die Menschen zum Lachen oder zum Weinen zu bringen. Es gibt Stücke, da funktioniert das, bei anderen nicht - und bei ROSA ist es so. Diese Emotionen der Zuschauer spüre ich auf der Bühne, sie tragen mich durch das Stück, dann fliege ich fast.

Zuschauer weinten?

Ja. Nach der Bewilligung der Kriegskredite durch ihre Genossen ist Rosa am Ende und ohne Hoffnung - und dann fällt auch noch ihr Geliebter Hans Diefenbach in dem Krieg, den sie doch verhindern wollte. In diesem Moment weint Rosa um alles. Das Fass ist voll. Auch für denjenigen, der zuschaut.

Was hat Sie persönlich an der Figur so begeistert?

Vor allem ihre Vision davon, dass Krieg verhindert werden kann, wenn sich die Menschen zusammenschließen. Bei diesem Gedanken zieht es mir die Schuhe aus! Aber auch ihre Art zu lieben finde ich spannend.

Hat Rosa auch etwas in Ihnen bewegt?

Na ja, mein bequemes, unpolitisches Dasein, das wurde mir zum Beispiel so richtig bewusst, als ich in Brasilien an einer Rosa-Luxemburg-Konferenz teilnehmen durfte. Vertreterinnen und Vertreter verschiedenster linker Bewegungen aus ganz Südamerika diskutierten, welche von Rosa Luxemburgs Gedanken ihnen heute helfen können bei ihrem ganz konkreten Kampf gegen Ausbeutung, gegen Umweltzerstörung.

Das heißt, Rosa ist noch aktuell?

Natürlich. Die Grundlage für den Kapitalismus ist Ausbeutung von Ressourcen und Menschen. An dieser Analyse kommen wir immer noch nicht vorbei - auch wenn wir uns in unserer Demokratie eingerichtet haben, die Probleme vielleicht noch eine Weile von uns wegschieben können.

Was würde Rosa heute den Menschen sagen?

Klimawandel und Globalisierung würden ihr als gute Beispiele dienen, den Menschen zu erklären, dass ein ausschließlich auf Wachstum und Ausbeutung basierendes Wirtschaftssystem nicht funktionieren kann. Dass das alles in die Katastrophe führt. Rosa wäre bei jedem Klimagipfel ganz vorn dabei. Sie würde täglich provozieren, kein Lobby-Skandal, kein Rüstungs-Gewinnler wäre vor ihrer spitzen Feder sicher. Und als überzeugte Kriegsgegnerin würde sie jeden angeblich notwendigen Krieg unserer Zeit äußerst kritisch hinterfragen.

Das GRIPS Theater in Berlin führt ROSA auf am 25. und 26. Februar sowie am 19. und 20. Mai 2010, jeweils um 19.30 Uhr.