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Regierung fördert Lohndumping

erschienen in Klar, Ausgabe 17,

Marlies Schmolling steht jeden Morgen um 4.20 Uhr auf, um für 4,80 Euro netto zu arbeiten. Die 57-Jährige aus dem brandenburgischen Ludwigsfelde ist kein Einzelfall.

Marlies Schmolling steht jeden Morgen um 4.20 Uhr auf, um für 4,80 Euro netto zu arbeiten. Die 57-Jährige aus dem brandenburgischen Ludwigsfelde ist kein Einzelfall. 

Marlies Schmolling (57) verdient ihren Lebensunterhalt als Leiharbeitskraft. Jeden Morgen steht sie um 4.20 Uhr auf, um in einem Internetunternehmen zu arbeiten. Von den sechs Euro Stundenlohn, die sie dort erhält, bleiben ihr netto 4,80 Euro. Die Leiharbeitsfirma, bei der sie angestellt ist, kassiert für jede ihrer Arbeitsstunden bis zu  18 Euro.

Sie ist kein Einzelfall. Immer mehr Menschen arbeiten in Deutschland für immer weniger Geld. Fast jede und jeder fünfte Beschäftigte arbeitet mittlerweile zu Niedriglöhnen, insgesamt beinahe sieben Millionen Menschen. Deutschlandweit arbeiten zudem rund 600000 Frauen und Männer als Leiharbeitskräfte.

Marlies Schmolling ist eine qualifizierte Frau: Textilfacharbeiterin, Maschinistin, Köchin. Aber für rund 120 Stunden Arbeit im Monat erhält sie einen Nettolohn von nur 576 Euro. Dazu bekam sie bisher 200 Euro Wohngeld, das aber inzwischen gekürzt worden ist. Wenn sie ihre Rechnungen bezahlt hat, bleiben ihr zum Leben oft nur noch 20 Euro für die ganze Woche. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde Marlies Schmolling helfen.

Gesetzliche Mindestlöhne gibt es in 20 von 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. In acht dieser Länder wurden sie in diesem Jahr trotz Krise angehoben. In Deutschland gibt es keinen Mindestlohn. Hierzulande müssen rund 1,37 Millionen Menschen trotz Arbeit und wegen niedriger Löhne Hartz IV beantragen. Rund eine halbe Million Vollzeitbeschäftigte hätten einen Anspruch auf diese staatliche Unterstützung, verzichten aber darauf – manche aus Unkenntnis, manche aus Stolz.

„So weit erniedrige ich mich nicht. Ich gehe doch nicht jeden Tag arbeiten, um dann diesen demütigenden Antrag auf Arbeitslosengeld II zu stellen“, sagt Marlies Schmolling, die immer gearbeitet und zwei Kinder allein großgezogen hat.