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Raus aus der Turnhalle, rein ins Leben

erschienen in Klar, Ausgabe 41,

Es ist ein stürmischer Märznachmittag in der Berliner Wuhlheide. Der Regen peitscht Hassan Al Hashem und seinem Freund Peter Stange-Beer ins Gesicht. Der Blick richtet sich auf das FEZ Berlin, Europas größtes gemeinnütziges Zentrum für Kinder, Jugendliche und Familien. Für Hassan und Peter ist es der Ort, an dem sie Freunde wurden. Damals, im November 2015, als tausende Geflüchtete aus Syrien, dem Irak und anderen krisengeschüttelten Orten der Welt in die deutsche Hauptstadt kamen. In der Turnhalle im FEZ kam Hassan unter, Peter stellte dort eine provisorische Kleiderkammer auf die Beine, ehrenamtlich. Sie lernen sich gut kennen in diesen ersten chaotischen Tagen. Die Freundschaft blieb, auch als Hassan nach sechs Monaten aus dem FEZ in das nächste Provisorium ziehen muss, eine andere Turnhalle. »Die Bedingungen in den ersten Monaten waren hart«, erzählt Hassan. »Zu wenig Essen, Streit, Polizeieinsätze!«

Hassan ist aus der syrischen Stadt Homs nach Berlin gekommen. Als Syrer ohne Religionszugehörigkeit war sein Leben akut bedroht, er musste fliehen. Zurückgelassen hat er seinen fünfjährigen Sohn, seine Frau, seine Eltern. Ein Wort der Beschwerde kommt ihm nicht über die Lippen, wenn er seine Geschichte erzählt. Dafür immer wieder: Dank. Die Aufnahmebereitschaft der Deutschen habe ihn tief beeindruckt, erzählt er. Dabei habe er auch Grund zum Verzweifeln, denn sein Asylverfahren dauert länger als bei den meisten syrischen Mitgeflüchteten. Eine Wohnung finden, einen Deutschkurs besuchen, in das richtige Amtszimmer vorgeladen werden – nie klappte es sofort. Peter, der ihn bei den Behördengängen unterstützt, reagiert da manchmal frustrierter als sein syrischer Freund: »Aber was Hassan ausmacht, ist, dass er dran bleibt«, berichtet er. »Als es mit dem Deutschkurs nicht geklappt hat, hat er eben alleine gelernt und mich ständig nach neuen Vokabeln gefragt.«

Das FEZ bot Hassan nach ein paar Monaten einen Ein-Euro-Job an: Sein Deutsch sei inzwischen so gut, ob er sich vorstellen könne, bei Familienfesten für Geflüchtete zu übersetzen? Er sagte zu und arbeitet seitdem zu ausgewählten Events freundlich lächelnd an der Information. Ruhe ausstrahlen, bei Problemen vermitteln – das liegt dem 37-Jährigen.

Vor zwei Monaten konnte Hassan aus der Turnhalle ausziehen. Jetzt teilt er sich ein Zimmer; Bad und Küche liegen noch auf dem Gang. Aber er spürt: Es wird besser für ihn. Mit Ruhe, Geduld und Engagement kommt er weiter, das hat er gelernt.