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Plädoyer für kostenfreies Studium

erschienen in Clara, Ausgabe 3,

Eigentlich sind sich alle einig: Es müssen mehr Menschen den Weg an die Hochschulen finden! Im Koalitionsvertrag verständigte sich die Große Koalition auf ambitionierte Pläne: »Wir halten fest am Ziel, mindestens 40 Prozent eines Altersjahrgangs für ein Hochschulstudium zu gewinnen.« Diesen schönen Worten folgte bisher wenig. Die Bundesregierung versperrt den Zugang an die Hochschulen, statt ihn zu öffnen.

Ein Grundpfeiler der Studienförderung ist das BAföG. Wer sich ein Studium aufgrund der persönlichen Finanzsituation nicht leisten kann, so das Prinzip, bekommt Unterstützung vom Staat. Bundesbildungsministerin Annette Schavan macht keinen Hehl daraus, dass sie das BAföG lieber heute als morgen abschaffen würde. Da sie für dieses Vorhaben keine Mehrheiten organisieren kann, setzt sie offenbar auf eine schleichende Aushöhlung. Schon im sechsten Jahr in Folge werden die BAföG-Sätze in diesem Jahr nicht an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst. Somit können erstens weniger Studierende eine BAföG-Förderung bekommen. Zweitens reichen die Förderbeträge zur Finanzierung des Lebensunterhaltes bei weitem nicht mehr aus.

Für DIE LINKE. ist klar: Wenn wir auch junge Menschen zu einem Studium motivieren wollen, die keine reichen Eltern haben, müssen wir ihnen mehr Unterstützung anbieten. Die Bundesregierung sieht das anders. Sie verweist auf die Möglichkeit, Studienkredite zu beantragen, die in ihrem Auftrag von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und auch von privaten Banken angeboten werden. Doch auf diesem Weg kann das Studium schnell zur Schuldenfalle werden.

Schon jetzt müssen BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger damit rechnen, am Ende ihres Studiums mit Schulden von bis zu 10.000 Euro dazustehen, denn das BAföG wird nur teilweise als Zuschuss gezahlt. Dazu kommen Kredite für allgemeine Studiengebühren, die immer mehr Bundesländer einführen, sowie Kredite für zusätzliche Ausgaben - etwa im Rahmen eines Auslandsstudiums oder zur Finanzierung fehlender Bücher. Angesichts überfüllter Seminare und miserabler Betreuungsverhältnisse ist es kaum möglich, das Studium in der Regelstudienzeit zu beenden. Statt länger BAföG zu bekommen, gibt es auch in diesem Fall nur noch Kredite. Anders als beim BAföG werden Studienkredite voll verzinst und unterliegen marktüblichen Konditionen: So hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau bereits im ersten Jahr die Zinsen von 5,1 Prozent auf 5,95 Prozent erhöht. Bei einer Vollfinanzierung des Studiums über Kredite kann schnell ein Schuldenberg zwischen fünfzig- und hunderttausend Euro entstehen.

Vor diesem Hintergrund sollte niemand erstaunt sein, dass die Studienanfänger(innen)quote im letzten Jahr erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik gesunken ist. Die Angst vor einem Schuldenberg schreckt von der Aufnahme eines Studiums ab. Auch die Aussichten auf eine interessante und angemessen bezahlte Arbeit nach einem abgeschlossenem Studium sind alles andere als rosig. Immer mehr Absolventinnen und Absolventen werden in unvergütete Praktika gedrängt. Die Rückzahlung von BAföG und Studienkrediten muss dann auf die lange Bank geschoben werden.

Stellen wir uns so unser Bildungssystem vor: Wer reiche Eltern und Verwandte hat, kann unbelastet in die Zukunft starten - wer von Haus aus wenig Geld hat, steht am Ende des Studiums mit einem riesigen Schuldenberg da? DIE LINKE. will diese soziale Ungerechtigkeit nicht hinnehmen und streitet deshalb für einen offenen Zugang an die Hochschulen. Studieren muss gebührenfrei sein. Außerdem wollen wir das BAföG ausbauen: Alle Studierenden müssen einen Rechtsanspruch auf eine bedarfsdeckende soziale Grundsicherung haben.

von Nele Hirsch, bildungspolitische Sprecherin