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Outing in der Fußballmännerwelt und wie weiter?

Von Harald Petzold, erschienen in Lotta, Ausgabe 6,

Wo und wann ist Aufklärung über Verschiedenheit und Gleichwertigkeit sinnvoll?

Im Dezember letzten Jahres kündigte Deutschlands bekannteste Fußballerin, Steffi Jones, an, sie werde ihre Freundin heiraten. Die Nachricht zog keinen Aufschrei nach sich, sie fand sich unter „Vermischtes“ auf den Zeitungs- und Onlineseiten. Als sich jedoch An- fang Januar der frühere Fußballnationalspieler Thomas Hitzelsperger als schwul outete, war er das Titelthema in allen Medien. Selbst die Bundeskanzlerin ließ verkünden, sie begrüße diese Offenheit. Politik und Prominenz lobten diesen Schritt in der Öffentlichkeit. Schwule Fußballer gehörten bald zur Normalität, so der Tenor. Die letzten heteronormativen-patriarchalen Trutzburgen könnten sich öffnen.

Alles gut? Eben nicht. Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg plant zurzeit eine Initiative an Schulen, die zu mehr Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Trans* und Intersexuellen führen soll. Ein Projekt, das einen Vorläufer bereits 2009 hatte. Damals rief der rot-rote Senat in Berlin auf Anregung der Partei DIE LINKE solch ein Vorhaben ins Leben. Nachahmer oder besser Nach- nutzer gab es in Nordrhein-Westfalen. In beiden Bundesländern waren die Reaktionen auf die Aufklärungskampagne überwiegend positiv. Jetzt in Baden- Württemberg ist alles anders. Erzkonservative ereiferten sich und starteten eine Onlinepetition unter dem Titel „Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“. Mehr als 200 000 Menschen unterzeichneten bislang diese Petition. Ein Aufruf, der sich gegen das „Propagieren“ der Akzeptanz sexueller Vielfalt richtet. Als Argumente werden die „höhere Suizidgefährdung unter homosexuellen Jugendlichen“ und die „auffällig hohe HIV-Infektionsrate bei homosexuellen Männern“ ins Feld geführt.

Das ist eine verhängnisvolle Verdrehung von Ursache und Wirkung. Denn – so belegen es internationale Studien schon lange – das hohe Suizidrisiko ist eine Folge von offener und öffentlicher Diskriminierung. Ebenso lässt sich der überproportional hohe Anteil schwuler Männer unter den HIV-Positiven nur eindämmen, wenn frühzeitig – also am besten in der Schule – versucht wird, ohne Scham und Scheu über alle Formen der Sexualität zu sprechen. Darüber aufzuklären, dass Menschen zwar verschieden und trotz- dem gleichwertig sind. Die Hysterie in Baden-Württemberg erinnert an die Aufklärungsverbote in Russland letzten Sommer. Seitdem sind Schwule, Lesben, Transsexuelle einer staatlich sanktionier- ten Hatz ausgesetzt. Verbieten, Bestrafen, Verdrängen fördert keine Akzeptanz.

Klaus Lederer, Landesvorsitzender der Berliner Partei DIE LINKE und Initiator der Berliner Schulinitiative, erklärte seinerzeit die Gründe für eine frühzeitige Bildungsarbeit: „Wir haben uns damals überlegt, wie wir langfristig die Akzeptanz der sexuellen Vielfalt verankern können. Einstellungen bilden sich häufig in der Zeit der schulischen Ausbildung heraus. Wir wollten, dass die Schülerinnen und Schüler früh lernen, dass es eine sexuelle Vielfalt in der Gesellschaft gibt, vor der sie keine Angst haben müssen.“

Ein schwuler Fußballprofi lebt in einer eigenen Welt. Seine Prominenz schützt ihn und hilft ihm beim Outing. Ein öffentliches Lob fällt deshalb auch nicht schwer. Doch was bleibt danach? Was ist mit den vielen anderen, unbekannten Homosexuellen zwischen Ostsee und Alpen? Wie „normal“ geht die Gesellschaft mit sexueller Vielfalt und Verschiedenheit um, wenn sie die Aufklärung und das Gespräch darüber verhindern will? Es gibt noch eine Menge zu tun.

Harald Petzold ist queerpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE