Zum Hauptinhalt springen

Opposition ist Mist? Von wegen!

erschienen in Clara, Ausgabe 10,

Vom mühsamen Weg, politische Ziele im Bundestag durchzusetzen, und von späten Einsichten der Bundesregierung, die besser sind als Ignoranz.

Was haben steigende Heizkosten, Wohngeld, Stadtentwicklung und linke Oppositionspolitik miteinander zu tun? Viel, auch wenn es oberflächlich betrachtet nicht so scheint. »Wohnen ist ein Menschenrecht«, sagt Heidrun Bluhm, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE. »Eine Wohnung ist Zentrum des Lebens und steht für Identität.« Und damit sie ein solches Lebenszentrum sein kann, muss eine Wohnung im Winter warm sein.

Mit dem Leben in der Stadt beschäftigt sich die diplomierte Innenarchitektin schon lange. Zum dritten Mal organisierte sie in diesem Herbst eine Stadtumbaukonferenz - diesmal fand sie in Essen im Ruhrgebiet statt, einer Region, die sich in den letzten Jahrzehnten vom größten Industriestandort Westdeutschlands in eine Dienstleistungsregion ver-wandelte. Wirtschaftliche Prozesse und demografische Entwicklungen sorgen dafür, dass Städte sich ständig verändern müssen. Das weiß auch DIE LINKE. Die Stadtumbaukonferenz will daher ein Bild von der »Stadt der Zukunft« zeichnen. Wie die aussehen soll, müssen Bewohner und Politiker einer Stadt maßgeblich mitgestalten. »Für uns bedeutet die Stadt der Zukunft eine moderne, vielseitige Wohnarchitektur, die den Lebensbedürfnissen ihrer Bürgerinnen und Bürger entspricht.« Soziale Komponenten dürfen selbstverständlich nicht zu kurz kommen. Dafür sorgt DIE LINKE im Bundestag schon heute - und zwar aus der Opposition heraus. Ein gelungenes Beispiel dafür ist der Gesetzgebungsprozess zur Wohngeldnovelle.
Alles begann vor gut einem Jahr. Da beschloss die Bundesregierung, das Wohngeldgesetz zu überarbeiten. 2007 legte sie dann eine Neufassung vor. Doch anders als es der aktuelle Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung hätte erwarten lassen, fielen die Novellierungen enttäuschend aus. Nicht ein Cent Erhöhung war dort vorgesehen. Dabei war das Gesetz seit 2001 nicht mehr an die veränderten Lebensbedingungen der Mieterinnen und Mieter angepasst worden.

Rasanter Anstieg der Heizkosten

Im Bericht der Bundesregierung von 2006 wurde bereits auf die rasant steigenden Heiz- und Nebenkosten verwiesen. Dabei blieben die Preisexplosionen der vergangenen zwei Jahre noch unberücksichtigt. Angesichts dieser Entwicklung - die Nettokaltmieten sind seit 2001 um zehn Prozent gestiegen und die Heiz- und Warmwasserkosten um bis zu 50 Prozent - eine Wohngeldnovelle vorzulegen, die vor allem auf eine Verwaltungsvereinfachung abzielt, das war ein Schlag ins Gesicht der 700000 bis 800000 Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger. Der Deutsche Mieterbund geht davon aus, dass die Preisspirale sich weiter nach oben bewegt: Allein für das Jahr 2008 müssen Mieter bis zu 30 Prozent höhere Heizkosten zahlen als im Vorjahr.
Die Regierungskoalition hielt es dennoch nicht für nötig, zu handeln, obwohl sie selbst das gravierendste Argument für eine Erhöhung des Wohngeldes in ihrem Bericht vortrug. Der besagt: Durch die Preiserhöhungen der letzten Jahre sei die Wohnkostenbelastung eines durchschnittlichen Mieterhaushaltes auf 34 Prozent des Nettohaushaltseinkommens gestiegen. Berücksichtige man zusätzlich die Stromkosten, läge sie bei über 37 Prozent. Einkommensschwächere Haushalte müssten 50 Prozent und mehr ihres Nettoeinkommens für Wohnung und Haushaltsenergie zahlen. Wohngeldempfänger, also Menschen mit niedrigem Einkommen, bezahlten hingegen rund 40,6 Prozent ihres Einkommens für ihre Unterkunft. Der Grund dafür: Die Entlastung durch das Wohngeld sank in den Jahren von 2001 bis 2006 und betrug zum Schluss noch rund 31,6 Prozent. Konsequenzen der herrschenden Parteien SPD und CDU/CSU? Fehlanzeige!

Trotz dieser Fakten sollte nur eine Verwaltungsvereinfachung die ganze Gesetzesnovelle ausmachen. Was für eine Neuerung - von gestaltender Politik keine Spur. »Unsere Fraktion nahm das zum Anlass, eine Anhörung zum Thema zu beantragen«, erklärt Heidrun Bluhm. Sie wurde ein voller Erfolg! »Der Anteil der Wohnkosten am Nettohaushaltseinkommen sollte maximal 25 Prozent betragen. Denn zu einem erfüllten Leben brauchen die Menschen auch ausreichend Geld für Kultur, Bildung und Mobilität, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können«, so die klare Aussage von Heidrun Bluhm. Nicht nur die von der Fraktion DIE LINKE zur Anhörung bestellten Gutachter bescheinigten dem Regierungsentwurf im Dezember 2007 Mängel, auch die Experten der Regierungskoalition kritisierten massiv deren Absicht, das Wohngeld nicht anzupassen. Und sie griffen eine Forderung der Linken auf, die Heidrun Bluhm seit Jahren am Herzen liegt: Die gestiegenen Heizkosten müssen künftig bei der Berechnung des Wohngeldes berücksichtigt werden.
Mit diesem Anliegen wurde die linke Politikerin auch von Gutachtern des Deutschen Städtetags und des Deutschen Städte- und Gemeindebunds unterstützt: »Eine Einbeziehung der Heizkosten in das Wohngeld halten wir für möglich und in Anbetracht des zunehmenden Anteils an der Wohnkostenbelastung der Haushalte auch für erforderlich.«

Experten unterstützen linke Forderungen

Nach so viel Schelte - auch aus den Reihen eigener Gutachter - beeilte sich die Bundesregierung, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen. Und der enthält nun viel von dem, was DIE LINKE im Bundestag gefordert hat. Die Gesetzesänderungen, die zum 1. Januar 2009 in Kraft treten, sehen nun Erhöhungen bei der Bemessungsgrenze um rund zehn Prozent vor. Das heißt, künftig sind nicht nur wie heute 580000 Haushalte wohngeldberechtigt, sondern rund 800000 Haushalte. Im Durchschnitt erhöht sich das Wohngeld von 90 Euro auf 142 Euro monatlich.
Künftig geht die Berechnung des Wohngelds nicht mehr - wie bisher - nur von der Kaltmiete aus, sondern bezieht die Heizkosten anteilig mit ein. Wohngeldberechtigte Haushalte erhalten Heizkostenzuschüsse gestaffelt nach Anzahl der Haushaltsmitglieder. Eine Familie mit zwei Personen erhält künftig anteilige Heizkosten in Höhe von 31 Euro pro Monat. Singlehaushalte werden mit 24 Euro pro Monat unterstützt.
DIE LINKE hatte außerdem dafür plädiert, dass die Wohngelderhöhungen schon zu Beginn der Heizperiode im Oktober dieses Jahres in Kraft treten. Auch darauf gingen die Regierungsparteien ein Stück weit
ein - allerdings erst im Nachhinein. Warum das so ist, erklärt Heidrun Bluhm. Für die Wohngeldstellen sei es tatsächlich aufgrund des ungeheuren Aufwands unmöglich gewesen, das Geld schon zum 1. Oktober 2008 zu zahlen, meint sie. Daher hat sich die Koalition darauf geeinigt, im nächsten April einen einmaligen Heizkostenzuschuss an alle Wohngeldempfänger zu zahlen.

Sicher, mit klarem Blick auf die gesellschaftlichen Realitäten, hätte die Bundesregierung längst handeln müssen. Offenbar braucht sie erst eine starke Opposition, um zu späten Einsichten zu gelangen. Immerhin, besser als nie. Die Vorstellungen der LINKEN, die Zahlungen für Wohngeldempfängerinnen und -empfänger entsprechend den Preissteigerungen für Wohnung und Heizung dynamisch anzupassen, sind damit noch lange nicht erfüllt. Aber die Novelle ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Heidrun Bluhm ist überzeugt: »Dieser ganze Prozess um das Wohngeld zeigt doch auf, dass wir als LINKE auch aus der Opposition heraus etwas bewirken können. Und wir bleiben weiter dran!«