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Neue deutsche Streikkultur

erschienen in Klar, Ausgabe 36,

Ob bei der Bahn, der Post, im Krankenhaus oder in Kitas – der Streik als Mittel des Arbeitskampfs wird populärer. Klar zeigt aktuelle Beispiele.

Deutsche Bahn AG   Überstunden, schlechte Bezahlung und familienunfreundliche Arbeitszeiten machen den Beschäftigten zu schaffen. Um das zu ändern, hatte die Gewerkschaft GDL zu Warnstreiks und regulären Streiks aufgerufen. Die Bundesregierung, alleinige Eigentümerin der Deutschen Bahn, hat den Konflikt eskalieren lassen: Das von ihr initiierte Tarifeinheitsgesetz bedroht die Existenz von Berufsgewerkschaften, zu denen auch die GDL zählt. Eine Einigung in diesem Tarifkonflikt brachte erst eine Schlichtung durch Matthias Platzeck (SPD) und den thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (DIE LINKE) Anfang Juli. Die Hartnäckigkeit der Streikenden hat sich ausgezahlt!   Deutsche Post AG   Das Postmanagement will bis zu 20 000 Brief- und Paketzusteller in neue Tochterunternehmen abschieben. Für die gleiche Arbeit sollen sie dort 20 bis 30 Prozent weniger Lohn erhalten. Die Post hatte erst die Zahl der befristet Beschäftigten stark erhöht, nun drängt sie sie in die Tochterfirmen. Beschäftigte sowie die Gewerkschaften ver.di, DPVKOM und dbb wehren sich dagegen. Im vergangenen Jahr erzielte die Post einen Gewinn von mehr als zwei Milliarden Euro. Davon profitiert auch die Bundesregierung, die indirekt Miteigentümerin ist. Sie lässt das Management gewähren, selbst wenn Leiharbeitskräfte, zum Teil sogar angeworben von der Bundesagentur für Arbeit, als Streikbrecher eingesetzt werden. Auf mehrere Warnstreiks folgte im Juni ein unbefristeter Streik.   Sozial- und Erziehungsdienste   Die Arbeitsbedingungen für Erzieherinnen, Jugendpfleger und Sozialarbeiterinnen sind oftmals skandalös: Berufsanfängerinnen erhalten wenig Lohn und zumeist nur befristete Verträge. Unfreiwillige Teilzeit führt zu niedrigen Einkommen und später zu Armutsrenten. Deswegen verhandeln die Gewerkschaften ver.di und GEW seit Jahresbeginn mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber über einen neuen Tarifvertrag. Ihr Ziel ist es, die Sozial- und Erziehungsdienste aufzuwerten, unter anderem mittels einer durchschnittlichen Lohnerhöhung von rund zehn Prozent. Nach einem vierwöchigen Streik sollte eine freiwillige Schlichtung eine Einigung bringen. Über das Ergebnis dieser Schlichtung beraten und entscheiden nun die Gewerkschaftsmitglieder.   Universitätsklinik Charité   Seit Jahren wurden an der Berliner Charité Arbeitsplätze gestrichen. Die Folgen: Die Pflegekräfte leiden unter Überstunden und Stress, die Patientinnen und Patienten unter einer schlechteren Betreuung. Angesichts dessen fordern die Gewerkschaft ver.di und die Pflegekräfte der Charité nicht mehr Lohn oder mehr Urlaub. Sie kämpfen für zusätzliches Personal für die Stationen der Klinik – zum Wohle der Patienten. Dafür führten sie den ersten Streik für mehr Personal im Krankenhaus überhaupt und erzielten einen ersten Erfolg. ver.di und die Klinikleitung verständigten sich Anfang Juli auf Eckpunkte: Deutlich mehr Fachkräfte sollen in Zukunft für mehr Qualität bei der Pflege sorgen!