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Neoliberal und rassistisch

erschienen in Clara, Ausgabe 40,

Mit ihrem Grundsatzprogramm hat die Alternative für Deutschland (AfD) ihre politische Richtung festgelegt. Noch aufschlussreicher sind einige inhaltliche Aussagen ihrer wichtigsten Repräsentanten.

Die AfD hat auf ihrem Parteitag in Stuttgart im Mai erstmals ein Programm beschlossen und damit inhaltliche Weichen gestellt. Jörg Meuthen, einer der beiden Vorsitzenden der Partei, positionierte die AfD in Opposition zum »links-rot-grün versifften 68er-Deutschland«. Die Partei sehnt sich offenbar nach der Rückkehr zur verstaubten, hierarchischen und patriarchalen Gesellschaft der 1950er Jahre.

Im Programm bilden Nation und nationale Politik jenseits europäischer und internationaler Einbindung den Leitfaden der Politik. »Deutschland zuerst« – nach dieser Maßgabe strebt die Partei eine grundlegende Neuorientierung deutscher Außen- und Militärpolitik an. Die Nation begreift sie als völkisch definierten Schutzraum vor den Gefahren der Globalisierung. Sozialpolitisch stellt sich die AfD als Vertreterin der angeblichen Leistungsträger der Gesellschaft dar.

Gegen den Gedanken der europäischen Integration stellt die Partei ihr Konzept für »ein Europa der Vaterländer«: Die Europäische Union (EU) soll wieder zu einer Freihandelszone abgewickelt werden. Die Eurozone will die AfD in jedem Fall verlassen. Die deutsche Außenpolitik soll stärker national geprägt werden, womit sie auch die Forderung nach massiver Aufrüstung und Militarisierung der Außenpolitik begründet.

Neoliberales Bekenntnis zum schlanken Staat

»Nur ein schlanker Staat kann daher ein guter Staat sein« – mit dem neoliberalen Bekenntnis zum Rückzug des Staates aus seiner Rolle als sozialer Anker für schwache Gruppen der Gesellschaft bekräftigt die AfD ihre ideologische Herkunft aus den bürgerlichen Eliten. Im Sinne marktradikaler Ideologen soll sich der Staat auf vermeintliche Kernaufgaben zurückziehen, zu denen gerade nicht die soziale Sicherung der Bürgerinnen und Bürger gehört.

Obwohl sich der Staat seit mehr als zwanzig Jahren aus seiner sozialen Verantwortung zurückzieht und einen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge privatisiert hat, spricht die AfD von einer »Expansion der Staatsaufgaben«. Dahinter liegt die Verweigerung des wohlhabenden Kleinbürgertums, sich als Steuerzahlerinnen und -zahler an der rudimentären Versorgung derer zu beteiligen, die in schlecht entlohnten, prekären oder gar keinen Arbeitsverhältnissen stehen. Folgerichtig tritt sie für die weitere Privatisierung öffentlicher Aufgaben ein: »Wir wollen prüfen, inwieweit vorhandene staatliche Einrichtungen durch private oder andere Organisationsformen ersetzt werden können.«

»Grundlegende Reformen« sollen »auch die Sozialversicherungen« betreffen, heißt es weiter. So sagte die Vorsitzende der Partei, Frauke Petry, »an einer weiteren Verlängerung der Lebensarbeitszeit führt kein Weg vorbei«. Auch müsse man vermutlich über eine weitere Kürzung der Renten reden.

Dass die Partei nicht die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung vertritt, zeigt sich bei ihren steuerpolitischen Forderungen: Die Abschaffung der Vermögenssteuer, die »ersatzlose« Streichung der Erbschaftssteuer und die »Überprüfung der Gewerbesteuer« nutzen vor allem Unternehmen und Vermögenden. So erklärt sich auch die Sorge der AfD um das Steuer- und Bankgeheimnis, das es zu wahren gelte.

Die Themen Flucht, Migration und Integration werden im Programm mit einem Bedrohungsszenario unterlegt: Bedrohung deutscher Kultur, Bedrohung deutscher Frauen, Bedrohung des wirtschaftlichen Erfolgs und immer wieder Bedrohung durch Kriminalität, die von der AfD durchweg mit Migrantinnen und Migranten im Zusammenhang gebracht wird. Ausländerbehörden bezeichnet der Entwurf durchgehend als »Sicherheitsbehörden«, womit er zugewanderte Menschen automatisch zu Sicherheitsrisiken erklärt.

Gegen Flüchtlinge und den Islam

Hauptgegner der AfD ist der Islam, über den es heißt, er gehöre nicht zu Deutschland. Betroffen sind auch die hierzulande lebenden Muslima und Muslime, deren Religionsausübung eingeschränkt und streng reglementiert werden soll. Doch die Politik der AfD richtet sich nicht nur gegen Flüchtlinge und Menschen muslimischen Glaubens. Der Vize-Vorsitzende der AfD, Alexander Gauland, thematisierte auch die Hautfarbe des deutschen Fußballprofis Jérôme Boateng und skandierte öffentlich eine alte Parole der NPD: »Heute tolerant, morgen fremd im eigenen Land«.

Neben dem Islam geht für die AfD programmatisch die größte Bedrohung von der »Gender-Ideologie« und alldem aus, was damit herbeiphantasiert wird. Ziel der AfD ist der stärkere Rückbezug auf traditionelle Geschlechterrollen, verbunden mit der Rückbesinnung der Frauen auf die Mutterrolle. Einigen in der AfD gehen diese Punkte noch nicht weit genug, sie fordern eine deutliche Verschärfung des Abtreibungsrechts.

Der Rechtsruck der AfD ist in Stuttgart in programmatische Form gegossen worden. Während ein Teil um den Co-Vorsitzenden Meuthen die AfD als konservative Volkspartei rechts der Union etablieren will, sucht ein anderer Teil der Partei ganz offen den Anschluss an die extreme Rechte und will zum Beispiel mit dem Front National in Frankreich kooperieren. Den Menschen, die in der AfD eine mögliche Adressatin für die oft berechtigte Wut auf die herrschenden Verhältnisse sehen, sei gesagt: Das Programm und die Aussagen einiger ihrer wichtigsten Repräsentanten belegen, dass die AfD vor allem die herrschenden ungerechten Verhältnisse stabilisieren will.

Gerd Wiegel