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Mutmacher auf der Leinwand

erschienen in Clara, Ausgabe 45,

Es ist der sensiblen Kameraführung zu verdanken, dass beim Anschauen von »Das Gegenteil von Grau« jede noch so kleine Stimmungsschwankung der Protagonisten im Film auf den Zuschauer unmittelbar übergeht. Einen Kommentar aus dem Off gibt es nicht. Der Regisseur überlässt es den Zuschauern, wie sie das Geschehen auf der Leinwand bewerten. »Ich möchte keine eigene Bewertung vornehmen, weil die Menschen und ihre Aussagen für sich sprechen«, kommentiert Matthias Coers seine Entscheidung. Durch Gesten, kleine Bemerkungen und sichtbare Gefühlsregungen wird man hineingenommen in den Alltag von Menschen, deren Lebensverhältnisse sich gravierend verändert haben. Wohnen als Menschenrecht bekommt mit diesem neuen Film von Matthias Coers eine ganz individuelle Farbe: im Ruhrgebiet, in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland. Und er macht Mut, sich widrigen Verhältnissen zu widersetzen.

                                                      

Mit dem Dokumentarfilm »Das Gegenteil von Grau« präsentiert der Berliner Filmemacher einen zweiten Kinofilm, der sich nach seinem Erstling »Mietrebellen« mit dem Thema Wohnen, Verdrängung und Lebensverhältnisse von finanziell schlecht gestellten Einwohnern beschäftigt. Entstanden ist er in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Recht auf Stadt – Ruhr, und er zeigt am Beispiel verschiedener Initiativen im Ruhrgebiet, wie solidarisch miteinander gearbeitet und erfolgreich Widerstand geleistet werden kann gegen verantwortungslose Politik, Miethaie, zweifelhafte Investoren und gegen die Verwahrlosung von Wohnvierteln.

 

Ein Turm für alle

So hat in Oberhausen eine Bürgerinitiative den Bahnhofsturm gemietet, ihn umgebaut und daraus ein künstlerisches Begegnungszentrum gemacht. Er ist ein Anziehungspunkt für die ganze Stadt und ein Ort der Begegnung mit Geflüchteten. Wieder andere haben sich aus Protest und als Alternative zu den bestehenden Wohnverhältnissen entschlossen, in einer Wagenburg zu leben. Jetzt müssen sie Verdrängung befürchten und organisieren sich dagegen.

Der Film lebt von Protesten, vom Einblick in schwierige finanzielle und Wohnverhältnisse, aber auch von der ansteckenden Lebenslust, wenn gemeinsame Aktionen Erfolgserlebnisse brachten. »Das Gegenteil von Grau« zeigt, wie stark soziale Bündnisse zum Vorteil der Betroffenen sein können. Nicht mit Frust, sondern mit Lust auf Veränderung kämpfen sich die Leute vor Ort aus scheinbar ausweglosen Situationen heraus.

»Das Gegenteil von Grau« beschönigt nicht. Der Film ist ein Spiegelbild der komplizierten Lebensverhältnisse im Ruhrgebiet, einem ehemaligen industriellen Vorzeigestandort. Wo einst hart gearbeitet und gutes Geld verdient wurde, drohen seit Jahren Vereinsamung, Ödnis, aber auch Profitgier von Investoren. Das Menschenrecht auf Wohnen gerät in die Schieflage. Aber da gibt es mutige Frauen und Männer, Familien, Bürgerinitiativen und viele Helferinnen und Helfer, die aufstehen gegen die aufkommende Trostlosigkeit und schwindende Hoffnungen.

Der Film lief mit erstaunlich großer Resonanz im Ruhrgebiet und in Berlin, aber auch in Hamburg, München und anderen Städten Deutschlands. Aufführungen in Griechenland, den Niederlanden, in Spanien und Lateinamerika werden folgen. Die Probleme sind überall ähnlich, und deshalb wollen viele die Beispiele aus dem Ruhrgebiet sehen, wie die Menschen sich mit Initiativen und gelebter Solidarität gegen die Macht des Geldes und die Versäumnisse der Politik wehren.

Frank Schwarz

Mehr unter

www.gegenteilgrau.de