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Mit links gelesen

erschienen in Clara, Ausgabe 22,

Aktuelle Buchtipps

Die Griechen zahlten niemals Steuern, die Isländer hätten einfach weiter fischen sollen, die Iren haben vom Umgang mit Geld gar keine Ahnung, und die IKB- »Deppen aus Düsseldorf« kauften an der Wall Street jeden Mist: Teilweise so einfach skizziert Michael Lewis Europa im Finanzchaos. Doch der Report hat auch seine erhellenden Momente. Etwa wenn Lewis schildert, wie sich der damalige Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen noch immer wundert, dass »eine Immobilienkrise in Florida den Deutschen derartige Verluste bescheren konnte«. Zugleich skizziert er anschaulich, dass alle Rettungsversuche scheitern, wenn die Banken nicht an der Krisenbewältigung beteiligt werden und ihre Zockerei beendet wird.

Michael Lewis:

Boomerang – Europas harte Landung.

Campus Verlag

248 Seiten

24,99 Euro

 

Die Il-76 ist für den Reporter Matt Potter die Mutter aller Flugzeuge. Die sowjetische Maschine kann sogar bis zu 15 Tonnen zusätzliche Fracht trans-portieren, die in keinem Dokument auftaucht. Potter schildert, wie profes-sionelle Schmuggler auf jeden Kontinent und in jedes Krisengebiet das liefern, was Konflikte erst so richtig anheizt: Waffen und Drogen. Zugleich reisen sie in offizieller Mission und fliegen Hilfs-güter. So spektakulär das Thema, so sachlich die Darstellung: Potter sitzt mit dem russischen Piloten und seiner Crew im Cockpit und berichtet von verrückten Manövern auf den löchrigen Pisten dieser Welt. Doch die Hintermänner dieser Luftfrachtunternehmen bleiben im Dunkeln. Was wissen Regierungen und Geheimdienste? Fazit: Alle Rüstungsexporte können nur verhindert werden, wenn der Himmel aufgeräumt wird.

Matt Potter:

Tödliche Fracht.

Econ Verlag

400 Seiten

18 Euro

 

Was nach Afghanistan geschmuggelte Waffen anrichten, schildert in seinem Kriegstagebuch Sebastian Christ. Er besuchte alle deutschen Feldlager am Hindukusch, die ersten vier dort gefallenen Bundeswehrsoldaten waren in seinem Heimatort stationiert. Er berichtet sehr persönlich, sehr offen aus einem Land, »in dem die Soldaten und die zivilen Hilfskräfte einem Konflikt ausgesetzt sind, der sie noch nicht einmal im Schlaf loslässt – weil es weder Frontlinien noch Gefechtspausen gibt«. Christ schildert so präzise und nüchtern wie möglich den Alltag der Deutschen in Afghanistan, ihre Diskussionen über sinnlose und dafür umso gefährlichere Einsätze, ihre Wünsche nach Abwechslung und Perspektive, ihre Zweifel an der Präsenz dort. Vor allem zeigt er, wie distanziert Krieg im 21. Jahrhundert geführt wird und wie er alle Beteiligten verändert.

Sebastian Christ:

Das Knurren der Panzer im Frühling.

Pattloch

224 Seiten

16,99 Euro

 

»Wer sind sie? Was wollen sie? Wofür stehen sie politisch? Was machen sie anders als die etablierten Parteien? Und was erzählt ihr Erfolg über unsere Zeit, unsere Gesellschaft, unsere Kommuni-kation?« Diese aktuellen Fragen über die Piratenpartei beantwortet Friederike Schilbach mit Beiträgen von Autoren aus Politik, Presse und Publizistik. Ihre Interviews, Berichte und Analysen entwerfen das Bild einer Partei auf Selbstfindungskurs, die nicht allein wie bisher mit netzpolitischen Forderungen wirbt, »sondern mit einer neuen Interpretation politischer Prozesse«. Zugleich läuft bei den Piraten die thematische Erweiterung mit maximaler Transparenz auf Hochtouren.

Friederike Schilbach (Hg.):

Die Piratenpartei – Alles klar zum Entern?

Bloomsbury

224 Seiten

7,95 Euro

 

Die junge Autorin Julia Friedrichs hat die seltene Gabe, Begegnungen mit völlig unterschiedlichen Menschen und eigene Alltagsbeobachtungen so zu verknüpfen, dass daraus ein Panorama aktueller gesellschaftlicher Debatten entsteht. Das bewies sie 2008 in ihrem ersten Buch »Gestatten: Elite« und 2009 mit der sozialkritischen Reportage »Deutschland dritter Klasse«. Nun suchte sie nach Menschen, die in ihrem Leben etwas Besonderes erreichen wollten, ihren Idealen treu blieben oder sie mit dem Beratervertrag verrieten. Denn wie soll eine junge Generation an Utopien glauben und für eine gerechte Welt streiten, wenn es an glaubwürdigen Vorbildern mangelt? Vor allem die Porträts von Gerhard Schröder, Joschka Fischer und Rezzo Schlauch lassen erahnen, weshalb die Politik jungen Leuten Antworten schuldig bleibt.

Julia Friedrichs:

iDEALE.

Hoffmann und Campe

272 Seiten

19,99 Euro

 

Als im Juli 2011 ein Rechtsextremist in Norwegen 77 Menschen tötete, wurde der Opfer auch in zahlreichen Stadien vor Beginn der Spiele gedacht. Ronny Blaschke macht in seinem Report deutlich, wie andererseits planmäßig Neonazis versuchen, auf und neben Fußballplätzen Raum zu gewinnen. Weil beim Spiel auf dem Rasen die Emotionen hochschlagen und Politik dann zur Nebensache wird, will die NPD mit ihrer Interpretation von »Kameradschaft« und »Hilfe« vor allem im Amateurbereich punkten. Fanclubs werden gezielt infiltriert und braune Themen platziert. Blaschke diskutiert aber auch verschiedene Konzepte gesellschaftlicher Kräfte, mit denen Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass nicht nur im Fußball wirkungsvoll begegnet werden kann. Ein wichtiges Buch, das zahlreiche Ansätze für das erfolgreiche Zusammenspiel von Politik und Sport aufzeigt. 

Ronny Blaschke:

Angriff von Rechts-außen – Wie Neonazis den Fußball missbrauchen.

Verlag Die Werkstatt

224 Seiten

16,90 Euro