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»Mein Arbeitstag – mein Wochenende«

erschienen in Querblick, Ausgabe 14,

Unter diesem Titel veröffentlichte vor 80 Jahren das Arbeiterinnensekretariat des Deutschen Textilarbeiterverbandes das Ergebnis ihres Preisausschreibens als Buch, in dem 150 Textilarbeiterinnen nicht nur ihre Erwerbstätigkeit, sondern auch ihre Belastung als Hausfrauen und Mütter, ihre Hoffnungen und Träume schilderten. Erstmals kamen die Arbeiterinnen selbst zu Wort.

Und sie ergriffen die Chance, das zur Sprache zu bringen, wofür sie am wenigsten Anerkennung erfuhren und was ihren Arbeitsalltag von dem der Männern unterschied: »Da faselt man von acht Stunden Arbeit und nun frage ich, stimmt das?«; »Ein Arbeitstag von 16 Stunden und nur sechs Stunden Schlaf.«; »Eine Mutter, die von früh bis abends zur Arbeit geht und nur männliche Angehörige hat, muss doppelt und dreifach arbeiten.«

Akribisch listeten die Frauen ihre Tätigkeiten vom Aufstehen bis zum Schlafengehen auf: Feuer und Essen machen, Kinder wecken, anziehen und wegbringen, Betten machen und aufräumen, Weg zur Arbeit, acht bis neun Stunden Fabrikarbeit, in der Mittagspause: »Was koche ich heute?«, auf dem Nachhauseweg einkaufen, Kinder abholen, wieder Feuer und Essen machen, Kinder ins Bett bringen, vorkochen, spülen, putzen, Kleider ausbessern, Strümpfe stopfen, bügeln …

Diese Berichte von der Früh- und Spätschicht zu Hause unterscheiden sich in ihren unendlichen Aufzählungen und Wiederholungen in nichts von der Monotonie und der Hetze, die die Erwerbswelt der Frauen prägten: »Alles ist im vollstem Gang … zu … lautem, taktmäßigen Getöse zusammengeschmolzen.«

Am Wochenende »für einen Tag das Hasten und Jagen und Schinden« vergessen können nur einige Junge ohne Familienpflichten. Für die meisten gilt: »Der Sonntag verläuft auch bereits wie ein Wochentag.« In der Regel bleibt nur der Sonntag für die »große Wäsche«. Und damit die Familie einmal »nichts Aufgewärmtes« essen muss, steht die Hausfrau am Herd.

Wie wenig Raum den Frauen bei einer durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit von zirka 13 Stunden und 90 Arbeitsstunden pro Woche für eigene Interessen blieb, zeigt auch die geringe Beteiligung an dem Preisausschreiben. Immerhin hatte die Textilgewerkschaft 1928 mehr als 170 000 weibliche Mitglieder aufgerufen. Wie sie nachts um halb zwölf in der Zeitung von dem Preisausschreiben las und bis zwei Uhr früh an ihrem Bericht schrieb, schildert eine Teilnehmerin. Ihre Motivation: »Die Frau muss sich selbst befreien.«

Manche träumte davon, die Erwerbsarbeit aufzugeben und zu leben wie eine »Bourgeoisfrau«. Andere Lösungsvorschläge: »Mein Mann und meine Söhne helfen«, »eine Gemeinschaftsküche« und »Sechsstundentag – und ein der Neuzeit entsprechender Haushalt«.

Claudia von Gélieu, Frauengeschichtsforscherin