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Mehrfachdiskriminierung von Migrantinnen bekämpfen

erschienen in Querblick, Ausgabe 3,

Die Bundesregierung wollte die  Rechte von Migrantinnen ganz besonders stärken, hieß es zumindest. Doch aus der vollmundigen Ankündigung wurde nichts, die Situation der Migrantinnen hat sich eher noch verschlechtert. Ein Beispiel: Um Zwangsverheiratungen zu bekämpfen, soll der Familiennachzug erheblich eingeschränkt werden.

Migrantinnen und Migranten müssen nun Deutschkenntnisse vor der Einreise erwerben, um zu ihrer/m Ehe- bzw. Lebenspartner/in ziehen zu können. Dass dadurch de facto keine einzige Zwangsverheiratung verhindert wird, stört die Koalition wenig. Dagegen weigert sie sich hartnäckig, die von Migrantinnenorganisationen geforderte Stärkung der Aufenthaltsrechte von Frauen umzusetzen, die von Zwangsverheiratung betroffen sind.

Auch sonst grenzt die Integrationspolitik der Bundesregierung eher ?aus, anstatt zu integrieren. Als das Aufenthaltsgesetz 2005 erstmals Sprachangebote einrichtete, wurden für diese Integrationskurse nicht ausreichend Kinderbetreuungsangebote geschaffen. Viele Teilnehmerinnen mussten deswegen die Kurse abbrechen. Statt aber Integrationsangebote schleunigst geschlechtergerecht zu gestalten, setzt die Koalition lieber auf Sanktionen. Teilnehmer/innen, die aus welchen Gründen auch immer den Kurs abbrechen, müssen nun mit Bußgeldern oder gar mit der Aufenthaltsbeendigung rechnen. Diese familienpolitische Ignoranz in der Integrationspolitik, die vor allem Frauen betrifft, droht Migrantinnen auch aufenthaltsrechtlich zum Verhängnis zu werden.

Für die Bundestagsfraktion DIE LINKE. bedeutet Integrationspolitik nicht die Verhängung von Sanktionen, sondern die Schaffung von Bedingungen, die eine gleichberechtigte soziale ?und politische Teilhabe von allen Menschen möglich macht. Im Blickpunkt ihrer Politik steht dabei ?die Mehrfachdiskriminierung von Migrantinnen, sowohl rechtlich als auch beim Zugang zu Bildung, Ausbildung und zum Arbeitsmarkt. ?Für DIE LINKE. ist es nicht hinnehmbar, dass beispielsweise migrantische Schulabgängerinnen die geringsten Chancen haben, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu erhalten. Immer noch weisen viele Betriebe Frauen nur geschlechtertypische Berufsfelder zu.

Als »Ausländer« sind Migrantinnen darüber hinaus noch zusätzlichen Diskriminierungen ausgesetzt: Ihnen werden generell mangelnde Schul- und Sprachdefizite unterstellt. Vorurteile wie eine traditionelle Einstellung der jungen Frauen lassen ihre Chancen weiter sinken. Die Regierung ignoriert bislang, dass Betriebe geschlechtsspezifische und rassistische Bewertungen bei der Auswahl von Auszubildenden treffen.

Neben der Verbesserung von Bildungsvoraussetzungen der Bewerberinnen gilt es aber in erster Linie der institutionellen Diskriminierung zu begegnen.

Auch die geschlechtsspezifische und rassistische Aufteilung des Arbeitsmarktes ist nicht allein durch ?individuelle Weiterbildung zu beheben. Migrantinnen sind überproportional bei den geringfügig Beschäftigten vertreten. 36 % aller abhängig beschäftigten Migrantinnen ohne deutschen Pass arbeiteten 2006 in Minijobs und kurzfristigen Arbeitsverhältnissen, bei den Frauen mit deutschem Pass waren es 28 %. Auch mit einem qualifizierten ausländischen Ausbildungsabschluss finden Migrantinnen meist nur schlecht bezahlte Jobs, weil ihre Abschlüsse in der Bundesrepublik nicht anerkannt werden. So ist es ?für sie sehr schwer, die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes nachzuweisen, die aber notwendig ist, um ihren dauerhaften Aufenthaltstatus zu sichern.

Hier muss eine Arbeitsmarktpolitik her, die strukturelle und institutionelle Veränderungen zum Ziel hat: zum Beispiel die Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen, die bessere Verzahnung von Sprach- und Arbeitsmarktförderung und die Durchsetzung wirksamer Antidiskriminierungsmaßnahmen. Die Stärkung von Aufenthaltsrechten und der Ausbau von kostenlosen Kinderbetreuungsangeboten sind weitere wichtige Schritte, um den Diskriminierungen von Migrantinnen wirksam zu begegnen.

Sevim Dagdelen, MdB, Migrations- und Integrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE.