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Mariage pour tous

erschienen in Lotta, Ausgabe 4,

In Frankreich wird hitzig über die gleichgeschlechtliche Ehe debattiert. Deutschland wartet auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts.

In Frankreich tobt ein inszenierter Kulturkampf, wie ihn das Land schon lange nicht mehr erlebt hat. Die Kontroverse entzündet sich an einem Gesetz, das Präsident François Hollande und die regierenden Sozialisten einzuführen versprochen hatten: das Recht auf Ehe und damit verbunden das Recht auf Adoption für gleichgeschlechtliche Paare. Gestritten wird nicht nur im Parlament, das Ende Januar über die Reform entscheiden muss. Diskutiert wird beinahe überall, ob bei öffentlichen Veranstaltungen auf dem Land oder auf Großdemonstrationen in Paris.

Mitte Januar marschieren zunächst knapp 400 000 Menschen in der Hauptstadt gegen dieses Gesetz. Aufgerufen hat die komplette Rechte des Landes: die katholische Kirche, konservative Parteien, einflussreiche Netzwerke von Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern und Familienverbänden sowie Teile des rechtsextremen Front National. Sie geben vor, um die traditionelle Familie, ja um die Zukunft des Landes zu fürchten, und argumentieren offen lesben- und schwulenfeindlich.

Ende Januar protestieren dann etwa 150 000 Befürworterinnen und Befürworter in verschiedenen Städten Frankreichs, darunter der Dachverband der Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen. Sie sind geringer an der Zahl,
wissen aber die Mehrheit der französischen Bevölkerung hinter sich. Rund
60 Prozent der Befragten äußern sich in Umfragen positiv zur Mariage pour tous (Ehe für alle). Sie sehen in dem Gesetz einen weiteren Schritt zur vollständigen Gleichstellung der Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.

Diskriminierung in Deutschland

In Deutschland werden gleichgeschlechtliche Paare ebenfalls diskriminiert: Sie können zwar Lebenspartner- schaften eingehen, sind aber gegenüber heterosexuellen Ehen steuerlich benachteiligt und haben kein gemeinsames Adoptionsrecht. Vorstöße, diese ungleiche Behandlung aufzuheben, wurden in der Vergangenheit im Bundestag mit den Stimmen von CDU/ CSU und FDP abgelehnt. Zurzeit prüft das Bundesverfassungsgericht, inwiefern homosexuelle Paare Kinder gemeinsam adoptieren dürfen. Es wird dies wahrscheinlich befürworten. Ebenso wird es das anhängige Verfahren wegen der steuerlichen Ungleichbehandlung voraussichtlich positiv bescheiden. Eine ähnliche Debatte wie in Frankreich ist jedoch hier eher unwahrscheinlich.

Tatsächlich scheint es von Deutschland aus betrachtet, als bilde die Debatte über die gleich- geschlechtliche Ehe eine Projektionsfläche für reaktionäre Reflexe, als handele es sich um einen inszenierten Kulturkampf von rechts. Bleibt zu hoffen, dass Präsident Hollande dem Chauvinismus keine Chance gibt und dass das Wahlversprechen möglichst bald umgesetzt wird.

DIE LINKE hat in dieser Legislaturperiode als erste Fraktion einen Antrag zur Öffnung der Ehe in den Bundestag eingebracht. Damals lehnte die SPD zusammen mit FDP und CDU/CSU noch ab. Mittlerweile befürwortet auch sie die Öffnung der Ehe – ebenso wie die FDP, die aber vor dem Koalitionspartner kuscht. Nur die Konservativen bleiben bei ihrer strikten Diskriminierungsposition, doch die wird das Bundesverfassungsgericht schon zur Räson rufen.