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Lotta QUEER „Wir brauchten eine dicke Haut“

erschienen in Lotta, Ausgabe 9,

Manuela Kay und Gudrun Fertig gründeten 2012 den größten schwul-lesbischen Verlag

Deutschlands. In ihm erscheint „Siegessäule“ und „L-Mag“. Die Journalistinnen sind bislang die ersten und einzigen lesbischen Geschäftsführerinnen, die jemals ein schwul-lesbisches Medium übernommen haben.

Wie viel Mut brauchte es den Verlag „Special Media“ zu gründen?
Manuela Kay: Mut gehörte gar nicht dazu, dafür sehr viel Durchhaltevermögen. Wenn man Angst hat, sich etwas nicht zutraut, braucht man Mut. Oder wenn man denkt, man ist auf unsicherem Terrain. Das war bei uns nicht der Fall. Was wir brauchten, war eine dicke Haut, um den Gegenwind, den wir bekamen, auszuhalten.
Gudrun Fertig: Doch, ich würde sagen auch „Mut“. Mut, sich die Chefinnenrolle zuzutrauen. Den Verlag so zu führen, dass er als Printverlag weiter aufblüht und das digitale Zeitalter mit einbezogen wird. Es kam hinzu, dass es als Lesbe – auch als Frau – ungewöhnlich ist, ein solches Unternehmen zu führen. Ich habe unterschätzt, wie viel Widerstand das auslöst.
 
Was heißt Gegenwind?
 M. Kay: Mein schlimmstes Beispiel: Leute, die im gleichen Business sind, sagen: „Ihr wollt doch den Scheiß-Lesben nicht das Geld überlassen!“ Natürlich hassen nicht alle Schwule Frauen, aber es gibt doch mehr Hass, als ich dachte. Frauen an sich mögen ja vielleicht noch okay sein, aber Lesben?
 
Zum Verlag gehört das Magazin „Siegessäule“. Das gibt es seit 30 Jahren. Wie würdet ihr das Profil beschreiben?
M. Kay: Sie hat sich gewandelt. Vom reinen Schwulenmagazin zum schwullesbischen bis zum heutigen Queer- Medium. Es ist das auflagenstärkste Stadtmagazin in Berlin. Wir haben 130 000 Leserinnen und Leser. Das sind natürlich überwiegend Schwule und Lesben.

Ist es auch ein Magazin für Menschen außerhalb der Szene?
M. Kay: Die Zielgruppe sind eindeutig Schwule und Lesben. Auf dem L-Mag steht „Magazin für Lesben“ und auf der Siegessäule „queer“. Aber alle weltoffenen, neugierigen und intelligenten Menschen, egal welcher geschlechtlichen oder sexuellen Identität, finden in unseren Heften etwas, wenn sie es wollen.
 G. Fertig: Allerdings liegt die Siegessäule überwiegend an nicht schwul-lesbischen Orten in Berlin aus. Wir wollen kein Magazin ausschließlich für die Szene machen sondern auch für Menschen, die keine Szeneinsider sind. Wir haben fast 800 Auslagestellen in Berlin, zwei Drittel haben mit LGBT* überhaupt nichts tun. Das sind Theater, Cafés, Arztpraxen, Kaufhäuser und so weiter.

Es heißt, mit euch beiden als Geschäftsführerinnen der Siegessäule, sei das Magazin „queerer“ geworden. Was versteht ihr unter „queer“?
 M. Kay: Jedes Thema kann aus einer Sicht beleuchtet werden, in der nicht die heterosexuelle Kleinfamilie im Mittelpunkt steht, in der berücksichtigt wird, dass es eben verschiedene Lebensformen und Liebesformen gibt. Der Begriff „queer“ ist aber auch von einem schwul-lesbischen Kampfbegriff der 1990er Jahre in den USA zum Aufhänger einer verkopften akademischen Debatte geworden. Heute ist er auch Sammelbegriff für jene Leute, die sich nicht mehr trauen „schwul“ oder „lesbisch“ auszusprechen, sich dann lieber „queer“ nennen. Ich halte das für eine Vermeidungsstrategie.
G. Fertig: Trotzdem ist Siegessäule mehr als nur schwul oder lesbisch. Es geht auch Heterosexuellen besser in einer Welt, in der es Schwulen und Lesben gut geht. Das begreifen viele nicht. Die Lebensqualität für weltoffene Menschen ist dort gut, wo wir gut behandelt werden. Bei allen Defiziten, die der Begriff „queer“ hat, ist er für mich eine politische Haltung. Queer ist feministisch, nicht sexistisch, nicht homophob, nicht transphob, nicht rassistisch. Das sind Voraussetzungen, die ich wichtig finde.

Die UN-Frauenkonferenz in New York in diesem Jahr, traditionelle Gleichstellungspolitik– ist das ein Thema für euch?
 G. Fertig: Ja. Wir müssen natürlich immer ein bisschen den Dreh finden, was ist für unsere Leser und Leserinnen daran spannend. Aber natürlich ist alles, was mit Gleichstellung und Frauenrechten zu tun hat, für uns als Lesben interessant.

Das Gespräch führte Sophie Freikamp
 
Informationskasten
Manuela Kay und Gudrun Fertig werden im Juni 2015 mit dem Augspurg-Heymann Preis für couragierte Lesben ausgezeichnet. Den Preis vergibt die LAG Lesben in NRW e.V. seit 2009. Beide werden geehrt, weil sie „seit Jahren viel für die Sichtbarkeit lesbischer Frauen machen.
Die Jury zeichnet sie aus als Verlegerinnen, Publizistinnen, als Journalistinnen und Chefinnen.“ Allein, dass die L-Mag im Bahnhofshandel ausliegt, sei vor 10 Jahren undenkbar gewesen.