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Linke Politik braucht starke Frauen

erschienen in Querblick, Ausgabe 13,

Wann bist du zu den Linken gekommen und warum?
Ich hatte mich schon mit 13 Jahren dem marxistischen Schülerbund Hamburg angeschlossen, weil mir die Verhältnisse in unserer Schule auf die Nerven gingen. Die Linken gingen immer ganz mutig voran, diskutierten auch ohne Angst und scherten sich nicht um irgendwelche Konsequenzen. Ich war bis 1988 in der SDAJ organisiert und auch zeitweise in der DKP. Ich hatte überhaupt gar keine Lust und die Nase voll von Parteistrukturen. Mein Anspruch an »Politik machen« wurde nicht erfüllt, weil sich alles eigentlich im Kern nur um sich selber drehte. In die Partei Die LINKE bin ich im Juli 2007 eingetreten. Ich habe im Fernsehen gesehen, wie Die LINKE gegründet wurde. Da dachte ich, jetzt ist der Zeitpunkt, jetzt haben wir die Chance, tatsächlich in einer gemeinsamen Linken auch etwas zu bewegen. Ich bin online eingetreten und hatte gar nicht vor, sehr aktiv zu werden, weil ich ein ausgefülltes Berufsleben hatte.

Nun sind gut zwei Jahre vergangen, und du sitzt im Bundestag. Da muss doch in deinem Leben selbst eine Menge umgekrempelt worden sein …
Oh ja. Ich wollte zunächst in den Parteistrukturen nichts tun, habe aber dann doch Verantwortung übernommen.

Wie kam das?
Wegen der Quote! Bei der Kreismitgliederversammlung in Ploen stand gleich die Frage, ob es denn eine weibliche Kreissprecherin gibt, und keine war da. Ich dachte mir, das kann nicht sein. Ich kann doch nicht jetzt in der Partei sein, um vor allem Frauenpolitik zu unterstützen, und dann scheitert es schon in der ersten Situation, weil keine das machen möchte. Also habe ich den Job übernommen. Von da an hat sich natürlich mein ganzes Leben verändert. Mir ist wichtig, dass ich als Kreissprecherin oder jetzt als Landessprecherin in Schleswig-Holstein nicht über die Parteimitglieder hinweg arbeite. Nur gemeinsam können wir zu Lösungen kommen, uns streiten und zu gemeinsamen Antworten finden.

Wie sehr macht dir politischer Streit Spaß?
Politischer Streit macht mir Spaß, persönlichen Streit finde ich lästig. Den politischen Streit erlebe ich vor allem mit den Frauen in der Partei. Da gab es bisher die einzigen Foren, wo ich wirklich eine inhaltliche Auseinandersetzung real miterlebte. Zum Beispiel über unterschiedliche Begriffe von Feminismus oder ob wir uns damit zufriedengeben, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fordern, oder ob wir gesellschaftliche Veränderungen anstreben.

Als du in den Bundestag gewählt wurdest, war sicher noch nicht klar, dass du Frauenpolitische Sprecherin würdest. Wie ist das passiert?
Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, für den Bundestag zu kandidieren. Immerhin warteten ein gänzlich anderes Leben und eine ganz andere Verantwortung. Neben der Arbeits- und Gesundheitspolitik, die bislang mein Berufsleben prägten, liegt mir eigentlich eines am meisten am Herzen, das ist die Frauenpolitik. Vor allem mit der Motivation, dass wir verstärkter frauenpolitische Fragen, feministische Fragen, Fragen der Geschlechtergerechtigkeit nicht nur in der Fraktion, sondern vor allem auch in der Partei weiterentwickeln müssen. Das hat mich gereizt.

Frauen sind in dieser Fraktion zum ersten Mal in der Überzahl. Inwieweit ist das eine neue Chance?
Wir haben 40 erfahrene Politikerinnen mit vielfältigen Schwerpunktthemen und großem Engagement, eine gute Zusammenarbeit und Aufgeschlossenheit in der Gesamtfraktion, eine Partei im Rücken, die als einzige Partei konsequent für eine soziale und gerechte Gesellschaft kämpft.

Wie geht ihr mit der Erwartungshaltung um, die jetzt ans Frauenplenum gerichtet wird?
Ich glaube, wir müssen Druck rausnehmen. Es gibt so eine Erwartung, dass jetzt etwas passieren muss. Wir müssen uns zunächst inhaltlich aufstellen und darüber reden, was wir eigentlich gemeinsam mit diesem Frauenplenum wollen. Welche Inhalte wollen wir in den verschiedenen Arbeitskreisen noch angehen und über das Frauenplenum auch koordinieren? Wenn das nicht klar ist, befürchte ich Aktionismus. Wir werden uns in dieser neuen Oppositionsrolle sehr viel stärker als bisher auch mit der SPD und den GRÜNEN auseinandersetzen müssen. Außerdem wollen wir uns verstärkt auf die Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Kräften orientieren.

Schauen wir auf das Jahr 2013. Was denkst du, hast du, hat das Frauenplenum bis dahin geschafft?
Das ist so unvorstellbar weit. Ich wünsche mir wirklich, dass wir dann in einer Situation sind, in der wir vor allem auch in der Öffentlichkeit deutlich gemacht haben, warum wir hier dringend notwendig sind, im Parlament und in dieser Gesellschaft. Ich würde mich freuen, wenn wir tatsächlich ganz konkrete Veränderungen durchgesetzt, wenn wir wirklich die bundeseinheitliche Finanzierung der Frauenhäuser auf den Weg gebracht haben. Wenn Frauen dann nicht mehr von Frauenhäusern oder anderen Schutzeinrichtungen abgewiesen werden müssen. Insgesamt wünsche ich mir wirklich, dass wir bewiesen haben, dass wir eine ganz konsequente Oppositionskraft sind und hier nicht in diesen heiligen Hallen alleine sitzen und Anträge produzieren und vergessen, dass da draußen das Leben geschieht.

Was Ämter, Positionen und Auftritt in der Öffentlichkeit angeht, können die Frauen beziehungsweise kannst du 2013 sagen: Da haben wir eine gefunden, die ganz oben mitmischt?
Das glaube ich schon. Wenn ich mir jetzt die Fraktion anschaue – das hat mich ja nach der Klausur in Rheinsberg richtig fröhlich gestimmt – dann sehe ich, wie viele tolle Frauen hier auch in dieser Fraktion arbeiten. Da haben wir eine Menge Frauen, die ganz oben mitmischen können.

Also wird es 2013 dann schon lange eine Co-Vorsitzende der Bundestagfraktion geben?
Ich glaube, da wird es schon lange eine Vorsitzende geben, sowohl in der Fraktion als auch in unserer Partei. Starke Männer brauchen auch starke Frauen.
Interview: Frank Schwarz