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Legal, illegal, EZB

erschienen in Clara, Ausgabe 35,

Die Europäische Zentralbank (EZB) soll sich gemäß EU-Verträgen eigentlich in erster Linie um Preisstabilität kümmern, doch stattdessen macht sie Politik und erpresst einzelne EU-Länder.

Die EZB spielt in der Eurokrise eine sehr zwielichtige Rolle. Einerseits hat sie durch ihre Niedrigzinspolitik und die Geldschwemme auf den Finanzmärkten die Kreditkosten für alle Staaten in der Eurozone stark drücken können. Ohne diese Rückendeckung der EZB wäre aber andererseits Merkels fatale Eurokrisenpolitik nicht möglich gewesen, denn die Zentralbank hat die Unterwerfung der Krisenländer unter die Kürzungsprogramme zur Bedingung für ihre Maßnahmen gemacht. Als "Kollateralschaden" werden so auch noch die Sparer enteignet, weil der Zinssatz unter den Anstieg der Lebenshaltungskosten gedrückt wird. Hinzu kommt, dass die EZB neben der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds ein Teil der Troika ist, die in den Krisenländern die verhassten Kürzungsdiktate kontrolliert.   Diese Machtposition hat die EZB auch dazu benutzt, um Regierungsentscheidungen direkt zu beeinflussen. Die Liste ist lang: Im Jahr 2010 nötigte sie die Regierung in Irland dazu, mit riesigen öffentlichen Beträgen den Gläubigern von irischen Banken ihr Geld zurückzuzahlen – obwohl die Geldinstitute pleite und bereits verstaatlicht waren. Die irische Staatsverschuldung stieg so auf ein Rekordniveau, das noch Generationen belasten wird.    Wie ging die Erpressung vonstatten? Die EZB drohte damit, die Notkredite für irische Banken zu verteuern oder gänzlich zu streichen. Dann hätten die Banken keine Liquidität mehr gehabt, um ihren Kunden Guthaben auszuzahlen. Die EZB-Drohung war daher ultimativ, denn eine Geldwirtschaft ohne Geld steht still. Die gleiche Nummer zog die EZB im Jahr 2013 bei Zypern ab, um die dortige Regierung zur Annahme der sogenannten Hilfskredite und damit unter das Joch der Troika zu zwingen. Und jetzt ist Griechenland dran.   Daumenschraube und Damoklesschwert   Durch die EZB soll die neue linke Regierung in Athen gezähmt werden. Bereits kurz vor der Wahl in Griechenland verkündete die EZB die Details zum Aufkaufprogramm für Staatsanleihen. Durch steigende Kurse und sinkende Renditen werden so die Kreditkosten gesenkt. Die Regeln waren so formuliert, dass Griechenland als einziges Land in der Eurozone davon nicht profitiert. Wenige Tage nach dem Wahlsieg von Syriza zog die EZB die Daumenschrauben weiter an und verschlechterte die Liquiditätsversorgung der griechischen Banken, indem sie griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit für Refinanzierungsgeschäfte akzeptierte. Seitdem hängt die Geldversorgung der griechischen Banken am seidenen Faden der sogenannten Notfallhilfen der EZB, die laufend neu genehmigt werden müssen. In der entscheidenden Phase der jüngsten Verhandlungen zwischen Eurogruppe und Griechenland über die Schulden wurde die Obergrenze für diese Notfallhilfen durch die EZB so knapp bemessen, dass sie nur für wenige Tage reichten. EZB-Präsident Mario Draghi sorgte so dafür, dass während der Verhandlungen ständig das Damoklesschwert des Euro-Rausschmisses über Alexis Tsipras Kopf hing.   Bisher wurde in der Öffentlichkeit wenig diskutiert, dass die politische Einflussnahme der EZB nicht durch EU-Recht gedeckt ist. Laut den EU-Verträgen ist es Aufgabe der EZB, sich vorrangig um die Preisstabilität zu kümmern. Für eine politische Einflussnahme hat die EZB kein Mandat: Sie handelt also quasi illegal. Dies wurde Anfang Januar auch durch die Stellungnahme des Generalanwalts vor dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) im Zusammenhang mit dem Anleiheaufkaufprogramm unterstrichen, der zufolge sich die EZB aus den sogenannten Anpassungsprogrammen herauszuhalten habe. Die aktuelle Erpressung Griechenlands zeigt aber, dass die EZB weitermacht wie bisher. Wenn die Europäische Zentralbank bei ihrer andauernden Mandatsüberschreitung nicht in die Schranken gewiesen wird, dann scheint mittelfristig ein Politikwechsel durch demokratische Wahlen in Europa nicht möglich.