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Kunst & Kultur: „Gottlos Type“

Von Petra Pau, erschienen in Lotta, Ausgabe 9,

Petra Pau ist vieles: Die Frau mit den struppig roten Haaren, linke Abgeordnete seit 16 Jahren, auch schon mal Einzelabgeordnete, überparteiliche Bundestagsvizepräsidentin und jetzt neu – Buchautorin.

Von allein wäre sie wohl nie auf die Idee gekommen, aufzuschreiben, wer und was ihr in den vielen Jahren Berufspolitik so alles begegnet ist, sagt Petra Pau. Es brauchte einen „Anschubser“. Den gab es in der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Pau war dort frisch ins Kuratorium gewählt worden, und nun ging es um Themen, die seit der deutsch-deutschen Vereinigung prägend waren. Prominente Namen fielen, über Episoden und Ereignisse wurde gesprochen. Alle verstanden, nur eine in der Runde nicht: Luisa, Jahrgang 1992, zu dem Zeitpunkt gerade Praktikantin bei der Politikerin Petra Pau. Sie war zu jung, „nicht mehr dabeigewesen“, die „so nahen Geschichten aus der Geschichte“ sagten ihr nichts. Also holte Petra Pau die „Ereignisse in die Erinnerung“ zurück, schrieb – wie es im Untertitel ihres Buches heißt – ihre „unfrisierten Erinnerungen“ auf. Ein Tagebuch zum Nachblättern hatte sie dabei nicht. Oder besser, das ihr damals geschenkte „blaue Heft“ verbunden mit dem Rat, „schreib alles auf, was dir begegnet“, war leer geblieben. „Die Dinge aber“, so Petra Pau, „hatten sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt.“
Über 50 Geschichten schrieb Petra Pau in „Gottlose Type“ auf. Sie lesen sich vergnüglich, sind kurzweilig, kaum eine ist länger als eineinhalb Seiten, es sind heitere Anekdoten, auch ernste Ereignisse, die bis heute politische Nachwirkungen haben. Etwa Hartz IV. Beschlossen im Eiltempo im Dezember 2003. Thilo Sarrazin, Berlins SPD-Ex-Senator, wird später vorrechnen, dass man sich von 4,25 Euro vollständig und gesund ernähren könne. Polizeihunde, so ruft Petra Pau in Erinnerung, hatten zur selben Zeit einen Tagessatz von 6,80 Euro. Sie schreibt über Begegnungen mit Stefan Heym oder Lothar Bisky, erzählt von Freundschaften mit Abgeordneten der CSU und FDP, spart Differenzen in der eigenen Fraktion nicht aus und überrascht mit ihrem Sieg beim Bibeltest im ZDF, als Fußballexpertin bei BILD oder mit der Extra3-Aktion vom NDR. Die Satiriker bauten öffentlichkeitswirksam in der Lobby des Reichstagsgebäudes einen Arbeitstisch für die beiden linken Frauen Lötzsch und Pau in ihrer fraktionslosen Zeit.
Wahre Geschichten, konsequent erzählt aus der persönlichen Wahrnehmung und immer „im Auge, die jüngeren Leute“. Ein Buch für „die die nicht dabei waren“, genauso wie für diejenigen, die sich gern erinnern möchten.


Petra Pau:
Gottlose Type
Meine unfrisierten Erinnerungen
Eulenspiegel Verlag
144 Seiten, 9,90 Euro
Erschienen am 12. Februar 2015