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Kulturtipps

erschienen in Klar, Ausgabe 45,

Ausstellungstipp

»Kinder im KZ Bergen-Belsen«. Emmie Arbel war 5 Jahre alt, als die Nazis sie aus Den Haag ins Konzentrationslager verschleppten. Ivan Lefkovits war 14 und Ceija Stoika 11 Jahre alt. Kinderleben hinter Stacheldraht. Viele starben an Hunger, Krankheiten, Seuchen und Gewalt. Eine Sonderausstellung in der Gedenkstätte Ravensbrück erzählt von diesen aus ganz Europa deportierten Kindern. Mit Fotos, Erinnerungsberichten, Zeichnungen, Häftlingstagebüchern, Ton- und Filmaufnahmen unmittelbar nach der Befreiung. Allein in Bergen-Belsen gab es etwa 3.500 Kinder unter 15 Jahren. Ihre Schicksale zeigt die Sonderausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück in Fürstenberg an der Havel noch bis zum 10. Februar 2019. Mehr Informationen unter: www.ravensbrueck.de

 

Dehms Musik-Kritik

Quijote: Doch morgen

Damit der langjährige Antifaschismus in Chemnitz nicht vom Showgetümmel untergepflügt wird: »Quijote« vertieft ihn musikalisch seit 30 Jahren. Schon allein wegen Volker Brauns großen Gedichts »Das Eigentum« lohnt der Kauf. Wenig derart Poetisches gibt’s über die »Wende«. Dazu andre schöne Lyrik, gefühlvolle Arrangements, ausgebildete Stimmen.

 

Wolfgang Schorlau: Der große Plan (Hörbuch)

EU-Finanzimperialismus-Nachhilfe mit Hochspannung als Krimi-Hörbuch: der neunte Fall des Privatermittlers Georg Dengler von Krimipreisgewinner Wolfgang Schorlau. Der geht von der Entführung der Troika-Aussteigerin Anna Hartmann zurück in die Geschichte des Naziterrors gegen Griechenland. Und von da, grandios recherchiert, zu den über 90 Prozent Griechenlandhilfe, die dann bespielsweise bei der Deutschen Bank landeten.

 

Sachbuchtipp

Wenn wir nicht aufpassen, stirbt die Demokratie an der Wahlurne

Wie unterscheiden sich Diktatoren von Demokraten? Was kennzeichnet autoritäre Verführer? Wer stoppt sie?

Diesen Fragen gehen die Politikwissenschaftler Steven Levitsky und Daniel Ziblatt in ihrem spannenden und lehrreichen Buch nach. Weil potenziellen Autokraten am demokratischen System vieles nicht passt, erfüllen sie mindestens eines dieser Merkmale:

1. Sie missachten demokratische Spielregeln oder lehnen sie ab, zweifeln zum Beispiel Wahlergebnisse an.

2. Sie diskreditieren politische Gegner, erklären sie etwa zum Sicherheitsrisiko oder nennen sie kriminell.

3. Sie tolerieren Gewalt gegen ihre Gegner oder ermutigen dazu.

4. Sie sind bereit, Bürgerrechte und die Pressefreiheit einzuschränken.

Steven Levitsky und Daniel Ziblatt konzentrieren sich auf die USA, nehmen allerdings auch die Entwicklung in Europa und Lateinamerika unter die Lupe. »Früher wurden Demokratien vor allem durch einen Militärputsch oder einen gewaltsamen Umsturz gekippt, seit dem Ende des Kalten Krieges sterben sie eher an der Wahlurne. Es gibt kaum Massenproteste, denn die Wähler merken gar nicht, dass es passiert«, sagt Daniel Ziblatt. Ins Amt gewählte Autokraten wechseln zügig Führungspositionen in Kontrollbehörden aus oder ändern die Zusammensetzung von Verfassungsgerichten. Wachsende wirtschaftliche Ungleichheit ebnete ihnen zuvor den Weg: »Wenn sich für Menschen mit einem durchschnittlichen Einkommen die Lebenssituation nicht verbessert, obwohl die Wirtschaft wächst, dann spielt das eine große Rolle. Wenn sie an die Zukunft denken und den Eindruck haben, dass es ihren Kindern nicht so gut gehen wird wie ihnen selbst, dann können sie sich vielleicht nur schwer vorstellen, dass die Demokratie das ändern wird.«

So gewann Donald Trump, der inzwischen alle vier Merkmale erfüllt, als völliger Außenseiter mit dem Versprechen, Amerika wieder großartig zu machen. Zudem half ihm, die politischen Gegensätze zu betonen: »Polarisierung ist eine Gefahr für die Demokratie, und durch Filterblaseneffekte in den sozialen Medien nimmt sie im rechten und im linken Spektrum zu. Allerdings wirkt sie nicht so stark wie Veränderungen in der Wirtschaft und der demografische Wandel.« Steven Levitsky und Daniel Ziblatt sehen einen Weg, um Donald Trump in Schach zu halten: Alle prodemokratischen Kräfte müssen sich zusammenschließen, um ihn abzulösen.

Steven Levitsky, Daniel Ziblatt

Wie Demokratien sterben. Und was wir dagegen tun können. DVA, 320 Seiten, 22 Euro

 

Bücherkiste

Christoph Butterwegge, Gudrun Hentges und Gerd Wiegel nehmen vielseitig unter die Lupe, wie die AfD in den Parlamenten agiert. Fazit: Die Demokratie ist akut bedroht, »falls sich die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vertieft, eine schwere Wirtschaftskrise das Vertrauen in die bestehenden Institutionen zerstört und ein Klima der Angst und der Verunsicherung entsteht, in dem die AfD einflussreichen Kreisen als Hoffnungsträger erscheint und als Machtfaktor erstarkt«. Was immer Weidel, Gauland und Co. fordern, diene dem Ziel, Deutschland dauerhaft auf Rechtskurs zu trimmen. Alle demokratischen Kräfte müssten sich zusammenschließen, um das zu verhindern.

Christoph Butterwegge, Gudrun Hentges, Gerd Wiegel: Rechtspopulisten im Parlament. Westend, 256 Seiten, 20 Euro

 

Was muss getan werden, damit Löhne steigen? Bernd Riexinger antwortet: Prekäre Arbeit möglichst abschaffen, Niedriglohnsektor austrocknen, Massenarbeitslosigkeit zurückdrängen und soziale Absicherung für alle erreichen. Der Bundestagsabgeordnete der LINKEN will die Spaltung von Belegschaften beenden, Beschäftigte stärken und ihnen ein neues Klassenbewusstsein vermitteln. Gewerkschaften ruft er auf, sich nicht nur »pragmatisch von Tarifrunde zu Tarifrunde« zu hangeln, sondern mehr auf die Straße zu gehen. Starke Solidarität könne das Prinzip »teile und herrsche« der heute Mächtigen überwinden, das hätten Erfolge bei jüngsten Arbeitskämpfen bereits bewiesen.

Bernd Riexinger: Neue Klassenpolitik. VSA, 160 Seiten, 14,80 Euro